Author Archive

Wahrnehmungslehre

Monday, January 8th, 2007

Helmholtz soll berichtet haben, er sei als kleiner Junge mit seiner Mutter an einem Turm vorbeigegangen, an dem Arbeiter beschäftigt waren, und habe seine Mutter gebeten, einen der kleinen Männerchen herabzulangen. Diese Anekdote veranschaulicht, dass Kinder Entfernungen erst abschätzen lernen müssen. Das Abschätzen ist eine Frage der Erziehung. Sind wir naive Kinder, die noch nicht gelernt haben, die entfernteren Folgen unseres Handelns abzuschätzen? Wie ist sonst zu erklären, dass wir sich das Klima wandelt. Wir wissen das zwar, haben aber noch nicht gelernt, darauf zu reagieren.

Wie kann eine Wahrnehmungslehre der globalen Veränderungen aussehen? Zu welcher Ethik wird sie führen? Carnap entwickelte einen logisch einsichtigen Aufbau der Welt. Enthält dieser Aufbau Optionen zum verantwortungsvollen Handeln? Es verlangt mindestens ein zwiespältiges Bewusstsein. Eines, dass die Handlungen im europäischen Alltag bewusst vollziert und zugleich dessen Verwicklung mit globalen Tendenzen bedenkt. Man muss also den Alltag und das Globale bedenken. Wie können wir  das Globale denken? Wir sind von Vermittlungen abhängig, die uns Ausschnitte verschiedener lokaler Wirklichkeiten vermitteln. Diese Vermittlung gehorcht Codes und Mustern. Sie lassen sich künstlerisch, philosophisch untersuchen und in Frage stellen. Ein weiter Weg zur Entdeckung globaler Wirklichkeiten und von dort zu relevanten Handlungen ist nötig. An ihm arbeiten viele ständig, auch wir.

Pythagoras – Transfer

Saturday, January 6th, 2007

Pythagoras war eine mythische Figur. Er soll ein goldenes Bein gehabt haben. Er dachte, dass die Welt geordnet ist, dass sie mathematischen Regeln gehorcht. Diesen Gedanken soll er am Monochord herausgefunden haben. Er halbierte, drittelte und viertelte die Saite dieses Instruments und fand heraus, dass die Saite gut klingt, wenn die Saite nach ganzzahligen Verhältnissen geteilt wird (1:2; 2:3; 3:4). Diese Saite denke ich als Welle. Sie zerteilt Migranten. Ihr beissendes Salz verbrennt Haut und Augen von Migranten, die auf der Passage von Afrika nach Europa in einem brüchigen Boot den Wellen ausgesetzt sind. Dieser Gedanke arbeitet in mir seit einem Gespräch mit YN im Wikpkinger Damm. Der Gedanke bereitet mir zugleich Kummer. Ich möchte nicht denken, dass Theorien von mathematischer Harmonie peinigen.

Kratzer

Friday, January 5th, 2007

instrumentekratzers.jpg

Schiffbruch mit Zuschauer

Friday, January 5th, 2007

Die Menschheit ist Teil der Woge, die das Boot trägt, das Schiffbruch zu leiden droht.* Das bereitet den Gedanken vor, dass die menschliche Kultur eine Woge ist, auf der sich die Menschen fortbewegen. Können wir in dem Journal diese Woge so modulieren, dass der Transfer von Afrika nach Europa menschwürdiger wird? (more…)

– I: Parfumflasche

Wednesday, January 3rd, 2007

Eine Migrantin berichtet von ihrer Überfahrt auf einem Boot, das auf dem Mittelmeer in Seenot geraten muss. Es muss in Seenot geraten, da nur die Flüchtlinge, die von einem in Seenot geratenem Boot gerettet werden, legal von der Küstenwache über die Grenze in die EU gebracht werden dürfen. Während der Fahrt reisst Fatima Abdirahman von ihrem besten und ihrem einzigen Rock nach zwei oder drei Tagen auf dem offenen Meer kleine Fetzen ab, in die sie ihren Kot einwickelt und über Bord wirft. Über Bord lässt sie an einem dünnen Faden auch eine leere Parfümflasche (Attar aus Olivenöl) baumeln, die sie bisher auf der Migration vor Dieben, Polizisten und den anderen Migranten verstecken konnte. Den Inhalt des Fläschchens hat sie zuvor ausgeschleckt. Geplant war es nicht, dass sie solange auf dem Meer ohne Wasser sein würden, ohne Nahrung. Sie hofft, dass ein Fisch das Fläschchen aussenbords erspürt und anbeisst. Tage später, nachdem schon einige Leichen der Migranten über Bord gekippt worden waren, wird sie unter dem Haufen der übrigen Leichen hervorgezogen. Das geschieht nach neun Tagen auf See und einem Tag nach der Sicherung des havarierten Schiffs durch die Küstenwachen von Lampedusa.  (Das Dilemma des Commandante von Dimitri Ladischensky (Text) und Francesco Zizola (Fotos)in der April/Mai-Ausgabe 2006 von mare). Sie selbst wird vielleicht noch zu finden sein in dem Asyl, das ein Franziskanermönch in Lampedusa eingerichtet hat. Vielleicht hat die Überlebende auch eine Stelle als Putzfrau in Palermo gefunden? Während es ihr vielleicht besser geht, erleiden Tausende die von ihr bereits durchlittenen Qualen auf dem Weg der Migration von Afrika nach Europa. Die Überfahrt kostet von Anfang Qualen. Die setzen schon beim Beschaffen der Kosten für den Transfer. Sie betragen 1000 Dollar.
Ist die Grenze zwischen Europa und Afrika, die qualvolle Überwindung der Not vergleichbar mit dem Übergang zwischen Seienden und Sein? Heidegger unterscheidet Sein und Seiendes, notlos und notvoll, eigentlichen und uneigentlichen Nihilismus.  Das Seiende ist die Welt der Technik, der Wissenschaft der Berechnung, des Unverborgenen. Das Sein ist etwas, das schwer zu fassen ist. Ist es so schwer zu fassen, wie das Verhältnis des europäischen Wohlstands zur Armut in Afrika? Was entspricht dann dem Wechselverhältnis zwischen Sein und Seiendem? Entspricht ihm zum Beispiel ein Boot mit Flüchtlingen?

Antihaft-Afrika

Tuesday, January 2nd, 2007

Vielleicht sind die Ungerechtigkeiten, die wir beobachten, wenn wir zum Beispiel im Fernsehen die Flüchtlingslager in Somalia vorgeführt bekommen oder wenn wir in einem Bildband betrachten, wie ein Afrikaner ein Fahrrad flickt, dass eine mannshohe Ladung Holz transportieren sollte, vielleicht sind Wahrnehmungen dieser Disproportionen zwischen unserer Lebensqualität und den Lebensbedingungen in Afrika vergleichbar mit einer Antihaft-Pfanne. Mit dem Unverständnis der Quasikristalle einer Antihaft-Pfanne haben diese Wahrnehmungen von Ungerechtigkeit gemeinsam, dass sie von einem Leibnizianer als Schatten einer höhreren Ordnung verstanden werden können.

Zur Antihaft-Pfanne findet sich folgendes in Lisa Randalls “Verborgene Universen – Eine Reise in den extradimensionalen Raum”. Franfurt/M. 2006: S. Fischer, S. 20: “Vielleicht weckt es ihre Neugier, dass eine Spur von zusätzlichen Dimensionen in Ihrem Küchenschrank versteckt sein könnte – eine Antihaft-Pfanne, die mit Quasikristallen beschichtet ist. Quasikristalle sind faszinierende Strukturen, und die Ordnung, die ihnen zugrunde liegt, zeigt sich nur in zusätzlichen Dimensionen”.

Batman nach Ingo Günther

Thursday, December 14th, 2006

_42349757_putin-ap203.jpg

34 x 365 – I (Kant, Cavalcanti)

Thursday, December 14th, 2006

Ein Schritt zurück, so argumentiert Umberto Eco, erlaubt es, besseren Anlauf für einen Sprung in die Zukunft zu nehmen. Unsere Zukunft ist vom Klimawandel bestimmt. Der Klimawandel bestimmt unser Verhältnis zur Zeit, bestimmt unser Verhältnis zur Geschichte. Es ähnelt der Erzählung vom jüngsten Gericht. Um dies zu erkennen, hilft ein Schritt zurück in die abendländische Eschatologie. Hilft ein Schritt zurück zu Kant oder helfen weitere Schritt zu Cavalcanti? Helfen solche Gedanken dabei, Gedanken zu finden, die uns erlauben, würdig auf die Anforderungen zu regieren? Angemessen und konsequent, zum Beispiel, den Benzinverbrauch zu reduzieren etc. Das etc. wird wichtig werden. Wichtiger als Kant und Cavalcanti? Wahrscheinlich, trotzdem scheue ich vor dem Gedanken, dass Gedanken in diesem Zwang, angesichts kommender Geschichten vom Klimawandel handeln zu müssen, dass Gedanken nicht sinnvoll sein dürfen. Gedanken, Spekulationen, Beschäftigungen des Denkens mit dem Denken, das ist wahrscheinlich unnütz. Schade, dieser Gedanke “bereitet dem denkenden Menschen Kummer”.

Eisfrei wird in 34 Jahren

Tuesday, December 12th, 2006

die Arktis sein, errechnen Wissenschaftler anhand von Klimamodellen. Es sei denn die Treibhausgase werden reduziert. Wer handelt nach dieser Aussage konkret, verzichtet auf sein Auto? Es bleibt weniger Zeit als gedacht eine mathesis universalis auzubilden, eine Kenntnis des Allgemeinen, die uns für das Kommende sensiblisiert und zwar so, dass wir jetzt unsere Handlungen ändern. Bedarf es angesichts dieser Prognosen noch einer vorbereitenden Erfahrungseelenlehre, die uns für globale Zusammenhänge sensibisiert? Der Begriff Erfahrungseelenlehre stammt übrigens von Karl Philipp Moritz. Er hat den Roman Anton Reiser geschrieben, indem die Hauptfigur angesichts eines gequälten Tieres verzweifelt.

Die Zukunft scheint verstellt. Die Menschheit verstellt sie sich selbst. Sie wird mit klaren Voraussagen konfrontiert, handelt aber nicht. Oder doch? Es bemühen sich doch weltweit Menschen um die Klimareduktion. Ohne deren Initiative wäre dann Anstieg noch massiver. Aber ihre Initiative bedarf eine neue Form der Wahrnehmung. Eine angemessene mathesis universalis bedarf einer experimentellen Erfahrungseelenlehre. Sie zum Beispiel ermuntert zu kleinen kontinuierlichen Schritten, die hoffnungslos scheinen, aber es nicht sind, weil sie die Hoffnung, das die Menscheit selbst ihr Geschick in die Hand nimmt, noch wach halten. Das klingt betulich nach Luther, der gesagt haben soll, dass er einen Apfelbaum pflanzen würde, wenn er wüsste, dass der Weltuntergang naht. Es bedarf einer intensiven Rhetorik der kleinen Schritte. Dazu müsste ein Hollywoodfilm, ein James Bond oder eine Waterworld mit Kevin Costner motivieren.

Prometheus

Monday, December 11th, 2006

Er öffnete den Menschen Augen und Ohren: “Denn sonst mit offnen Augen sehend sahn sie nicht, es hörte nichts ihr Hören; ähnlich eines Traums Gestalten mischten und verwirrten fort und fort sie alles blindlings, wussten nichts…” So schreibt es Aischylos im fünften Jahrhundert vor Christus. Nach Aischylos lehrte Prometheus die Menschen Schrift und Zahl. Prometheus wird dafür bestraft, dass er den Menschen diese Gaben brachte. Er wird von Zeus bestraft, der mit Hilfe von Prometheus Macht über die anderen Götter erlangte und eine neue Ordnung etablierte. Prometheus personfiziert den allmählichen Wandel im Medienwechsel von einer mündlichen Gesellschaft zu einer schriftlichen. Er ist selbst eine Figur des Übergangs, die durch endende Marter bestraft wird. Zeus lässt ihn sterbend leben.