Archive for 2014
F II
Friday, December 26th, 2014Muss ins Netz,
mich mit den vagen Bürgen
dort verbündeln,
graupeln, suppen,
damit allein ich
nicht mit den
Daten bleib’
auf meinem Dattelsitz
im Schober der Rendite,
die mir zum Festtag
ausgeschüttelt werden
(von den Räubern, den
Dattelmacherhändlern, auf
die ich sonst so schimpf).
Walther von der Vogelweide
Thursday, December 18th, 2014Ich sass auf einem Stein,
die Beine übereinandergeschlagen,
drauf hatte ich den Ellbogen gesetzt,
in meine Hand geschmiegt
mein Kinn und die eine Wange.
Ich dachte sehr ernsthaft darüber nach,
wie man in der menschlichen Gesellschaft leben solle.
Ich wusste keinen Rat …
Walther von der Vogelweide, Gedichte (Übersetzt von Horst Brunner, Stuttgart: Reclam 2013), S. 17
Tim Zulauf
Tuesday, December 9th, 2014Meilensteine in Gesellschaft
Mit ihren Unterlagen schiebt eine jüngere Wirtschaftsfahnderin eine ältere in deren Büro, so eifrig, dass auch deren gerufenes «Langsam!» nicht bremst. Beschwichtigend bleibt der Älteren nur die Erwartung zu dämpfen. Ihre pumpenden Armbewegungen weisen zum Boden hin, während sie sich hinter ihren Schreibtisch zurückzieht. Die Hand der jüngeren greift derweil hektisch nach Luftzylindern – als suche sie Worte über der Tektonik des gestapelten Papiers. Oder als wolle sie nach einer Tasse fischen. Filterkaffee, das Requisit der Polizeiarbeit, ist aber längst verboten. «Immer noch süchtig nach dem eindeutigen Berufsbild?» fragt die Ältere. Mit Seitenblick überschlägt sie die Beine auf ihrem Tisch, stützt den Oberkörper auf durchgedrückte Arme, und formt ein «N». Gerade so, dass durch den Buchstaben die zwei Bildtafeln im Hintergrund – ‹A, Stein I› und ‹B, Steine II› – nicht mehr zu sehen sind.
«Boss. Was machen wir mit dieser Geschichte hier?» Als Fragezeichen stehen zwei Bogen Computer-Ausdruck in die Luft: «Das ist aus demselben Chatroom abgefangen. Ich beobachte diese beiden Trader ja nun seit Wochen. Es müssen dieselben sein. Nur sie haben Zugang – neben mir. Aber auf einmal kann ich nichts mehr entschlüsseln. Ich war mir sicher, die wetten gegen Griechenland, ich war mir sicher, wir hätten die gleich am Wickel – aber jetzt … »
Die Ältere schaut: «Sieht tatsächlich aus, als wäre das … codiert? Sehr ungewöhnlich. Oder war das vielleicht doch privat?»
«Ich frage mich eher, wie das zu knacken wäre, beruflich, Boss. Hören Sie her … » Die jüngere Wirtschaftsfahnderin beginnt, den Chatroom-Dialog vorzulesen.
A: Was denken Sie: Was denkt der Sand, wenn ein Stein auf ihm lastet? Wenn er von der Gravitation zermahlen wird, und doch innerlich von ihr gehalten ist?
B: Er mahlt sich wohl dem Nichts entgegen. Der Sand, unter der Dominanz eines Steins.
A: Die steinige Definition würde er gerne unter sich begraben, genau. Aber er hängt von ihr ab, als Teil von ihr. Als Sand …
B: … als Sand… möchte er jedenfalls nicht Staub werden. Verstehe … Während der Stein nicht zugeben mag, dass er, als ehemaliger Schlussstein eines Tempels, Lust an der Last des Findlings hat, unter dem er eingekeilt liegt.
A: Ja. Sobald sich im Gebirge ein Felsbrocken löst, der dann jahrhundertelang in einer Zwischengrösse weiterdöst …
B: … und der dabei nicht mitbekommt, wie Kontinentalplatten sein Erbe auseinanderreissen.
A: Allerdings: Unsere Definitionen halten auf den Objekten nicht. Selbst wenn es Steine sind, zerspringen sie irgendwann und zerreissen unsere Zeichen …
B: … die Länder, die Nationen …
A: Aber wäre das nun eine Drohung? Drohen diese Grenzsteine unserer Vorstellungskraft, wir dürften uns in diese Krise nicht weiter einmischen?
B: Drohen? Nein. Ich sage nur: Wenn wir weniger selbstbezogen denken würden. Obwohl wir weder wissen, wie das ginge, noch was das wäre, in einer anderen körperlichen Schwere oder magnetisch schwebend zu denken wie ein Stein und damit ausserhalb der für uns relevanten Zeit zu sein – also ausserhalb einer Zeit, die sich in blauen Flecken äussert oder in Knochenbrüchen, die wir unvermittelt verarzten müssen, ohne auf die Gespräche einer stummen Welt zu hören. Wenn wir das könnten …
A: Ich kann Ihnen nur schwören, wie sehr ich das wollen würde: Die Grenzen meiner Einfühlung über das Lebendige hinaus zu dehnen. Vielleicht bleibt der Stein dann trotzdem das Ding, das wir am besten werden können – «werfen können» wollte ich schreiben (das war die Autokorrektur ;-).
B: Kiesige Abwege beschreiten Sie da – «beschreiben», wollte ich schreiben – auf der Suche nach einer Einheit, auch diesseits der siliziumhaltigen Intelligenz, hier bei uns.
A: Der Stein verdankt seinen Namen doch weiterhin der Spanne einer Hand, die ihn halten kann. Als Werkzeug, Keil in der Faust, Instrument zu etwas … als Trockensteinmauer eines Gebäudes oder als Gefüge von Begriffen, als philosophische Behausung. Zwecks Abgrenzung. Aber ob er da dann dankbar ist, der Stein, darüber wie unsere Hand ihn definiert, und ihn von Sandkorn, Kiesel, Brocken, Felsen, Findling unterscheidet, das darf bezweifelt werden.
B: Gut. Da bin ich Ihnen dankbar. Nur warum drohen Sie mit einer Spaltung? Könnte ich denn für Sie nützlich sein, als zertrümmerte Identität, als Geröllhalde?
A: Das Gegenteil, meine ich. Sie sollten noch mehr Stein sein wollen, mehr handhabbare Einheit, sollte es irgendwie weitergehen für Sie. Hier bei uns. Es geht um die geschlossene Form. Kein Gebröckel.
«Das ist doch eindeutig eine neue Information, Boss. Die Steinbeisser scheinen unter sich, in ihrer Arbeit, geteilter Meinung zu sein. Vielleicht hat ihre Quelle in Brüssel auch geblockt. Das ist keine kompakte Organisation mehr. Aber … was wären deren innnere Anziehungskräfte, frage ich mich, wenn … »
«Ich glaube, Sie haben ganz einfach Daten eines falschen Gesprächs abgezogen, meine Liebe. Überprüfen Sie das. Denken Sie nach. Und raus an die Arbeit.», sagt die Ältere, die plötzlich jünger als die Jüngere wirkt, während sie mit katzenhafter Drehung die Bildtafeln A1 und A2 von der Wand streift und geräuschlos unter den Tisch gleiten lässt: «Es gibt noch viel zu tun.»
«Ich glaube auch, Boss. Ich glaube nur eben auch», flüstert sie, «da sind Leute aus unserer eigenen Abteilung im Spiel. Irgendjemand spielt hier den Stein, als Spielstein … Wenn das der Fall wäre … sprechen sie ihn diesem Chat da vielleicht von … Meilensteinen: Sie planen die Schritte, bis sie dann wirklich zuschlagen. Wenn die Anziehungskräfte der Märkte erst stimmen.»
«Dann könnten wir dieses Internetgespräch gleich auf unsere Abteilung und uns selber anwenden? Drohen Sie mir?» lacht die jetzt Jüngere, schiebt die Ältere hinaus, und betätigt den Reisswolf. «Die Bilder dieser Steine bleiben doch vor allem eins: Ein Widerstand.»
Ein Beitrag zum Steintag
Siegfried Zielinski
Tuesday, December 9th, 2014
Homo sapiens oder homo sacer, homo ludens, homo artefactus oder homo generator, die derzeit kursierenden Erklärungsmodelle für das Wesen des Däumlings, der wir sind, haben etwas wichtiges gemein: In allen diesen Versuchen, für den Menschen etwas zu bestimmen, was nur ihn als Spezies auszeichne, wirkt sein Körper als Medium. Er vermittelt vom Einzelnen zur Welt des Geistes, des Heiligen, des Spielens, des künstlich Erzeugten wie des Erzeugenden und umgekehrt – von diesen Welten hin zum Einzelnen. Johann Wilhelm Ritter (1776-1810), der Chemiker und Physiker aus Samitz/Samienice/Samitz im heutigen Polen hat diese einfache und archaische Medientheorie mit seinem eigenen Körper zu beweisen versucht und bezahlte dafür einen hohen Preis. Durch die systematischen Experimente im eigenen Körperlabor ruinierte er seine Gesundheit und starb zu einem biographischen Zeitpunkt, an dem für die meisten das Leben erst beginnt. Zwei Grundannahmen waren dabei für Ritter ausschlaggebend:
In der materiellen Welt gibt es nichts rein Statisches. Alles was ausgedehnt ist, oszilliert, ist gemischt, enthält innere Dynamiken und lebt somit. Im Zustand der Schwingung kann es keine Ruhe geben. Ritter hob in seinem Denken und Schreiben nicht nur den Unterschied zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Text und Bild, sondern in epistemologischer Hinsicht die Differenz zwischen Wissenschaften von lebendigen und toten Dingen auf. Er war Physiko-Chemiker. Seine Wissenschaft vom Leben umfasste das Kunstwerk ebenso wie den Stein als potentielle Gegenstände.
Alle Kräfte haben ihren Ursprung in der Polarität. Sie enthält zugleich das Konzept der Komplementarität. Das Negative und das Positive schließen sich nicht aus, sondern repulsieren gegeneinander oder schwingen miteinander. Das Mikrokosmische des Individuellen vibriert ähnlich zwischen negativer und positiver Spannung wie die Erde als gewaltiger einzelner Planetenkörper und das gesamte Universum. Der Körper des Wissenschaftlers zeigt dies an. Er ist Display und somit ursprüngliches Medium.
Materialistische Medienwissenschaft wurde spätestens um 1800 erfunden.
Aus dem Brief an Oersted:
Quelle: Ritter, J. W.: Fragmente aus dem Nachlasse eines jungen Physikers. Ein Taschenbuch für Freunde der Natur. Heidelberg: Mohr und Zimmer, 1810. Faksimile(nach)druck mit einem Nachwort v. Heinrich Schipperges, Heidelberg: Schneider, 1969.
Ein Beitrag zum Steintag
Maria Magdalena Z’Graggen
Tuesday, December 9th, 2014Maria Magdalena Z’Graggen ACc, Aquarell auf Papier, 18,50 x 32,50 cm, 2014.
Ein Beitrag zum Steintag
Rolf Winnewisser
Tuesday, December 9th, 2014Stein V
mit der Absicht einen Text zu schreiben über und mit einem Meteoriten als wäre es ein Gespräch mit dem Querschnitt durch Buenaventura Fund in Chihuahua Mexiko 1969 begebe ich mich angestossen von den Abbildungen A Stein I und B Stein II im Buch Über Kräfte ins Naturhistorische Museum in Wien auf dem Weg zu den Meteoriten bleibe bereits im ersten Saal der Mineralien vor der Vitrine Archäologie der Gesteine stehen das Auge verliert sich in den vielfältigen Formen der Mineralien ein erstes Innehalten oder Angehalten werden Steine die mich anschauen oder müsste ich den Kreislauf von etwas schaut mich an – ich schaue es an und so weiter durchbrechen und den Blick auf die Zettel neben den Steinen lenken im Ruinenmarmor eingeschriebene ockerfarbene Landschaft mit dem Eingang einer Grotte sehen Seelenschwefel Diamantschildkröte Salzkäfer Fliegenstein Leberblende Forellenstein Erstarrte Explosionen Kubistische Dörfer Kupfer aus der Steiermark mit der unregelmässigen Form die einen prismatischen Körper diagonal durchdringt Mikroskopisch kleine dicht eingelagerte Fluideinschlüsse sind in diesem Quarz vom Kap der Guten Hoffnung phantomartig angeordnet einzelnen mit Gas und Wasser gefüllten Bläschen (Kavitäten) die diese chaotisch anmutende Trübung bewirken sind nur bei sehr starker Vergrösserung sichtbar ein erstes sich Hingeben in das was einen anschaut wird zu einem Stolperstein der Goldklumpen Welcome erinnert mich an den Torso eines Kentaur im Saal der Mineralien verliere ich die Orientierung es ist die Fülle trotz der Ordnung in den Vitrinen weiss ich nicht auf was ich achten soll ob es die Zuordnung ist Formen zwischen klaren kubischen Volumen bis zu haarigen Gewächsen eine schier endlose Skala von Erscheinungsweisen Gelb Rosa Purpur Blau ineinander verschachtelte Volumen Gegensätze Innenlinien Stadtansichten Nervenstränge oder Stadtpläne geheime Treffpunkte Zeichen in der Nähe von Buchstaben im Schriftgranit Sprache der Steine Kräfte die auf die Steine einwirken Kräfte die die Steine besitzen Ereignisse die die Steine in Szene versetzten nach dem Durchqueren der Mineraliensäle betrete ich den Meteoritensaal Formen des Innersten des Beginns Zeugen aus der Frühzeit unseres Sonnensystems lese ich im Buch Meteoriten als am Rande einer Spiralgalaxie eine grosse Gas- und Staubwolke zusammenzustürzen begann kam es durch den Kollaps zu immer schnelleren Rotationen wobei sich im Zentrum die Materie zusammenballte durch die Hitze des jungen Sterns verdampfte der Staub im umgebenden Nebel und kondensierte aus diesen Bestandteilen entstanden die Meteoriten und Planeten Meteoriten sind aus dem Weltraum auf die Erde herabstürzende Stein- und Eisenmassen in einer Abhandlung hielt der Jesuit Domenico Troili Augenberichte fest und deutete den Stein als Auswürfling einer unterirdischen vulkanischen Explosion in der Theorie von Silberschlag zur Entstehung der Feuerkugeln wurden diese als Produkt der Anreicherung von schleimigen oder öligen Dünsten in den oberen Schichten der Atmosphäre erklärt Schnittflächen liegen in den Vitrinen mit ihren Einschlüssen und Innenformen locken sie das Auge zu sehen sind Widmanstättsche Figuren diese Figuren sind das Resultat von Entmischungsvorgängen zwischen nickelarmem Kamazit und nickelreichem Taenit in langsam abkühlenden metallischen Kernen von Asteroiden Flecken und Olivinsplitter die der Venus von Willendorf gleichen was gleicht so schnell einer Figur ohne Umweg über die Vorstellung wenn nicht das was das Auge kennt Strukturen und Abweichungen Rhythmuswechsel Raumgitter durch das das Auge hindurchfällt an gewissen Überschneidungen haben sich weiche figurenähnliche Formen festgehalten eingebettet in die geometrische dreidimensionale Struktur kleine Verdickungen Wesen aus einer anderen Dimension Wurmlöcher die sich um das räumliche Gitter winden sich überschneidende Diagonalen die von vertikalen oder horizontalen parallel geführten unterschiedlich dicken Balken zu einem Gittergerüst gefügt sind diese Komposition erscheint durch scheinbar achtlose Symmetrie wie zufällig entstanden als wäre ein Piranesi und ein Escher bereits beim Bau dieses Gerüstes dabei gewesen Erinnerungen aus dem All dann wieder ist es die Aussenform der Meteoriten die mir auffällt die Beschaffenheit der Oberfläche mit den Ein- und Ausbuchtungen Faltungen und Wölbungen Löcher und Vertiefungen wie eine heftige Erinnerung feine Äderchen auf der Oberfläche Fingerabdrücke als wäre eine Tonmasse mit den Fingern in der Luft geknetet modelliert geworden nicht die Steine sehen sondern die Transformationen in und mit ihnen so wie man sagt die Sonne geht unter und sich dabei etwas ganz anderes denkt die Konturen der Vulkankogel weich schwingende Horizontlinie hinter meinem Rücken der Blick in die Ferne durch das Auge des Malers gedacht ich bleibe stecken bei den Einschlüssen in den Meteoriten mit dem schönen Namen Troiliten den Olivinsteinen und Widmanstädtschen Figuren die schon der Engländer G.Thompson |
bereits ein paar Jahre zuvor entdeckt und beschrieben hat Ein durchlässiges Gerüst durch das der Wind pfeift Allegorie der Vergänglichkeit so wie Musik schon im Augenblick des Erklingens verweht im Flug durch das All geformt kann man hier von einem Fall sprechen ein Fund ist es nicht etwas fällt auf die Erde eine Kollision findet statt chemische Prozesse setzen ein aus einem Meteoriten wird ein Drache was genau ist es das diese Wirkung hervorgerufen hat plötzlich der Gedanke was hat ihn geweckt einen messmerischen Tee trinkend ich könnte im kunsthistorischen Museum die gemalten Bilder Szenen der Mythologie der biblischen Geschichten auf darin vorkommende und dargestellte Steine achten Steine im Vordergrund Felsformationen und andere Steinbrüche Giorgiones drei Philosophen mit dem stufig abgetragenen Fels den abgebröckelten Steinen die eher Nüssen gleichen das Auge mit der Nase scheint in eine der Felsstufen hinein gemeisselt zu sein oder abgetragen und ausgewaschen dass diese Ähnlichkeit aufscheint andere Steine sind amorphe Klumpen oder gleichen einem Brotlaib Steine wie es bei den Mineralien und Meteoriten gibt entdecke ich nicht in der Malerei die Steine im Bild Büssende Maria Magdalena von Orazio Gentileschi ich denke sofort an die drei Steine im Bild Ruhe auf der Flucht von Caravaggio die im Vordergrund unterhalb der übereinander gelegten Zehen des Josephs liegenden drei Steine der spitze und der runde und der aufgeblasene Stein einen Stein zum Sprechen bringen ich gehe durch die enge Gasse bleibe stehen hinter meinem Rücken Schritte die ebenso plötzlich innehalten wie ich selbst die meinen zum Verstummen gebracht ich nähere mich der Brücke so wie andere Sätze schreiben ohne zu merken dass zwischen den Worten die gewählt wurden und dem was die Worte in Bewegung versetzen etwas verloren geht ich komme der Brücke näher ohne sie zu erreichen achtend auf die Umwege in der Nähe der Brücke das Wort Stein wirkt wie ein Frosch im Sprung in den Satz den ich ausradiere um zu sehen wie er ungeschrieben als Gelenk verwendet daran hebelt wie eine Hühnerhaut über meinen Rücken rast vor dem Stockeisen beim Stephansplatz stehend nach den Szenen hinter geschlossener Türe verrät Apollon dem Schmied Vulkan den Ehebruch seiner Frau nach mehrmaligem Durchgang vorbei an den Gemälden stosse ich auf den Turmbau zu Babel von Brueghel ich bleibe stehen plötzlich durchdringen sich die Beobachtungen der Steine und Meteoriten mit diesem Turmbau der Blick schraubt sich von unten links angefangen bei den steinhauenden Figuren die als Repoussoir figurieren hinein ins Gemälde der König und sein Gefolge mit einem Sprung setzt das Auge den Weg fort am Fusse des Felsen in den Eingänge gehauen werden und springt über den aus dem Felsen gehauenen Stufen und den gemauerten Bögen in einer spiralförmigen Bewegung immer höher hinauf eine Wolke wie ein Schnitt durch die Spitze des Turmes mit Akribie und enzyklopädischem Interesse schildert Brueghel eine Unmenge bautechnischer und handwerklicher Vorgänge in der steinernen Aussenhülle vermischt er antike und romanische Architekturelemente Stufen Tore Bogen Fenster gleichzeitig ist es eine über den Felsen gebaute aufgesetzte darüber gestülpte Architektur eine Durchdringung von aufgesetzten und herausgehauenen Formen eine Gleichzeitigkeit von inneren und äusseren Zuständen eines Bauwerkes bereits bewohnte Bereiche und daneben der unbehauene Fels das Unfertige als wohnte der Blick einer Sezierung bei Haut und Knochen Muskel und Fleisch Mantel Kern und Kruste zugleich das führt zurück zu den Meteoriten der Turmbau zu Babel hat eine Ähnlichkeit mit einem Krater was ist es das ihn unterscheidet von der Botschaft aus dem All frage ich mich ich sehe wie es sich dreht verschränkt und öffnet fällt und verknotet haltend und entfaltend transparent machende Überschneidungen Rillen und Falten Lichter und Schatten herausgelöst aus dem Zusammenhang einer Erzählung im Gegensatz zu den Frühwerken ist die Figur fest umrissen durchschaubar monumental und symmetrisch platziert vor Augen gestellt wie der Stein im Kopf Zeitschwingungen im Hirnlabyrinth ich erinnere mich an den Besuch im Narrenturm in Wien Gedanke und Ordnung Pupille der Welt von wo man Ausschau hält ein von Überfällen bedrohter Ort ein Sehen auf etwas hin nicht den Gegner sehen sondern die Taktik vorhersehen er achtet auf etwas anderes als ich achte was auf dem Weg des zu Sehenden passiert freilegen von Verschüttetem ergänzen und rekonstruieren entziffern und übersetzen erschliessen der Ereignisse aus der Vorzeit Prozess der wechselseitigen Transformation in dem das Konstruierte und nicht das Rekonstruierte eine Rolle spielt Stein V oder das Gespräch mit dem Meteoriten Buenaventura der vom Turmbau zu Babel erzählt |
Rolf Winnewisser 2014
Ein Beitrag zum Steintag
Lydia Wilhelm
Tuesday, December 9th, 2014Lydia Wilhelm Umschichtung (Stein), Objekt, Buchseite, geschnitten, gefaltet, geleimt, 30,9 x 22,5 x 6 cm, 2014
Ein Beitrag zum Steintag
Ingrid Wiener
Tuesday, December 9th, 2014Ingrid Wiener Klangfarben, kolorierte Zeichnung mit Text, Neustift 3.11.2014
Ein Beitrag zum Steintag
Jan St. Werner
Tuesday, December 9th, 2014Jan St. Werner/Lithops Every Detail’s Matter, 2014
Lithops means «living stone» referring to the first mention of the species by explorer and artist William John Burchell in 1811. This high speed video shows a Lithops growing a blossom. The music is by Jan St. Werner under his Lithops alias.
Ein Beitrag zum Steintag