Archive for the 'Art' Category

Marcus Steinweg: Notiz zur Kraft

Tuesday, November 16th, 2010

Die Topoi der Unwissenheit wie des Unbewussten (die keineswegs identisch sind: das Unbewusste ist das Wissen, von dem ich nicht weiß, während die Unwissenheit, von der Nietzsche spricht, Gegenstand nicht nur meines Wissens, sondern noch meines Wollens sein soll) evozieren eine gewisse Enteignung des Subjekts, eine Art ontologischer Armut, die es als nacktes Leben oder leeres Cogito, kurz als Subjekt ohne Subjektivität umreißt. Während das Subjekt des Idealismus’ sich durch die Teilhabe an einer universalen Wir-Subjektivität definiert und das Subjekt des Christentums sich als ens creatum eines creator weiß, ist das Subjekt ohne Subjektivität ein originär enthauptetes Subjekt. Offen nach oben wie nach unten, ohne Telos, ohne Fundament. Sein Hyperbolismus markiert diese Offenheit, die es ans Infinite grenzen lässt. Die Philosophie konfrontiert sich in allen historischen Momenten mit den infiniten Anteilen des Subjekts, um schließlich – in ihrer metaphysikkritischen Phase – einen um diese Infinität erweiterten Begriff von Aufklärung in Aussicht zu stellen: Eine neue Aufklärung, wie Nietzsche sagt, ein neues Subjekt und eine andere Vernunft, die ihren Hyperbolismus anerkennen oder schlicht ihre blinde Kraft.

Vollständiger Text erscheint alsbald unter: Notiz zur Kraft

Marcus Steinweg: A note on power

Monday, November 15th, 2010

Writing – like all art – means having the courage to turn one’s attention to the incommensurable parts of the world. In the enlightened consciousness, there persists a mythical rest that conveys the most enlightened narrative of its blindness. Enlightenment that refuses to enlighten itself, is a repetition of “Brecht’s enlightened attitude to myth”: “The deliberate blindness to the dark sides of enlightenment, its private parts.” (8)  In other words, the insight into its blindness is part of the blind power of writing. Blindness proves to be a condition of the possibility of sight. Which is why, in a text dedicated to Nietzsche, the media theorist Friedrich Kittler can speak of the “mercy of blindness” (9) . Tiresias, the clairvoyant, was blind as we all know.

We expect the act of thinking to lead us from darkness into light. In terms of the Enlightenment this is taken for granted. It was in the 20th century that initial attempts were made to complicate this imperialism of light (a term for making things more complex is deconstruction) – whether in philosophy, art, or science. This was not to slide into the esoteric and the irrational, but to introduce a way of thinking that accommodates the blindness of the Subject with a precise concept of enlightenment, subjectivity and reason. “If there is enlightenment, then not as the establishment of a dictatorship of transparency […]” (10) , said Sloterdijk. Neither of transparency nor the lack of it, as all knowledge remains dependent on ignorance, as does transparency on the lack of transparency and meaning on its absence. “It is not enough”, says Nietzsche in one of his posthumous fragments, “that you understand in what ignorance man and beast live; you must also have and acquire the will to ignorance. You need to grasp that without this kind of ignorance life itself would be impossible, that it is a condition under which alone the living thing can preserve itself and prosper: a great firm dome of ignorance must encompass you.” (11)  The philosopher of active forgetting turns out to be an apologist for active ignorance – not to be rashly confused with a reactive irrationalism. Nietzsche is concerned about containing the naivety of religiosity with reference to reason and knowledge; he insists that knowledge is not everything, that ignorance does not oppose it, that the Subject must be willing to integrate its blind sides in an enlarged notion of itself, conveyed by the Subject’s inconsistencies, ignorance, the limits of its awareness, and by itself as the Subject of blindness. It is then that psychoanalysis steps in to deal with the concept of the Subject supplemented by the unconscious, and to deal with the attempt to describe the Subject in its openness to an entity that speaks in it while the Subject speaks and decides for it before it can appropriate its decisions.

(8) Heiner Müller, Krieg ohne Schlacht,  a.a.O., S. 205.
(9)  Friedrich Kittler, „Wie man abschafft, wovon man spricht: Der Autor von  <Ecce homo>“, in Jacques Derrida & Friedrich Kittler, Nietzsche – Politik des Eigennamens, Berlin 2000, S. 83.
(10) Peter Sloterdijk, Der Denker auf der Bühne. Nietzsches Materialismus, Frankfurt a. M. 1986, S. 10.
(11) Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1884-1885, KSA 11, hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München 1988, S. 228.

Complete text will be published at: Note on power.

Marcus Steinweg: Notiz zur Kraft

Monday, November 15th, 2010

Zum Schreiben – wie zur Kunst überhaupt – gehört der Mut, sich den inkommensurablen Anteilen der Welt zuzukehren. Im aufgeklärten Bewusstsein persistiert ein mythischer Rest, der noch das aufgeklärteste Narrativ seiner Blindheit überführt. Die Aufklärung, die sich weigert, sich über sich aufzuklären, wiederholt „Brechts aufklärerische Pose gegenüber dem Mythos“: „Die vorsätzliche Blindheit für die dunklen Seiten der Aufklärung, ihre Schamteile.“ (8)  Zur blinden Kraft des Schreibens gehört also die Einsicht in seine Blindheit. Blindheit erweist sich als Bedingung der Möglichkeit von Sicht. Daher kann Friedrich Kittler – in einem Nietzsche gewidmeten Text – von der „Gnade der Blindheit“ (9)  sprechen. Teresias, der Seher, jeder weiß es, war blind.

Vom Denken erwartet man, dass es vom Dunklen ins Licht führt. Das ist das Selbstverständnis der Aufklärung. Ob es sich um Philosophie, Kunst oder Wissenschaft handelt, das 20. Jahrhundert hat diesen Imperialismus des Lichts zu komplizieren begonnen (ein Name dieser Komplizierung ist Dekonstruktion). Nicht um ins Esoterisch-Irrationale zu gleiten, sondern um ein Denken einzuleiten, das der Blindheit des Subjekts mit einem präzisierten Konzept von Aufklärung, Subjektivität und Vernunft Rechnung trägt. „Wenn Aufklärung geschieht, dann nicht als Errichtung einer Diktatur der Durchsichtigkeit […]“, (10)  so Sloterdijk. Weder der Durchsichtigkeit noch der Undurchsichtigkeit, da doch jedes Wissen auf die Unwissenheit verwiesen bleibt, wie Transparenz auf Intransparenz und der Sinn auf seine Abwesenheit. „Es ist nicht genug“, sagt Nietzsche in einem Nachlassfragment, „daß du einsiehst, in welcher Unwissenheit Mensch und Thier lebt; du mußt auch noch den Willen zur Unwissenheit haben und hinzulernen. Es ist dir nöthig, zu begreifen, daß ohne diese Art Unwissenheit das Leben selber unmöglich wäre, daß sie eine Bedingung ist, unter welcher das Lebendige allein sich erhält und gedeiht: eine große, feste Glocke von Unwissenheit muß um dich stehn“. (11)  Der Philosoph des aktiven Vergessens erweist sich als Apologet einer aktiven Unwissenheit, die man nicht voreilig mit einem reaktiven Irrationalismus verwechseln darf. Nietzsche geht es um die Eingrenzung der Naivitäten der Vernunft- und Wissensreligiosität; er insistiert darauf, dass Wissen nicht alles ist, dass das Unwissen ihm nicht opponiert, dass das Subjekt die Bereitschaft aufbringen muss, seine blinden Anteile in einen erweiterten Begriff von sich zu integrieren. Erweiterung, die es mit seinen Inkonsistenzen vermittelt, mit seinem Nichtwissen wie den Grenzen seines Bewusstseins, mit sich selbst als Subjekt der Blindheit; bevor sich schließlich die Psychoanalyse mit der Konzeption eines um sein Unbewusstes ergänzten Subjekts befasst und dem Versuch, es in seiner Geöffnetheit auf eine Instanz zu beschreiben, die in ihm spricht, während es spricht, und für es entscheidet, bevor es sich seine Entscheidungen aneignen kann.

(8) Heiner Müller, Krieg ohne Schlacht,  a.a.O., S. 205.
(9)  Friedrich Kittler, „Wie man abschafft, wovon man spricht: Der Autor von  <Ecce homo>“, in Jacques Derrida & Friedrich Kittler, Nietzsche – Politik des Eigennamens, Berlin 2000, S. 83.
(10) Peter Sloterdijk, Der Denker auf der Bühne. Nietzsches Materialismus, Frankfurt a. M. 1986, S. 10.
(11) Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1884-1885, KSA 11, hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München 1988, S. 228.

Vollständiger Text erscheint unter: Notiz zur Kraft

Marcus Steinweg: A note on power

Friday, November 12th, 2010

Like all writers, Müller asks himself what exactly constitutes writing. He answers the question by defining writing as a blind power: “an area that is simultaneously free and blind, completely untouched by the political.”(6) Writing means resisting facts. Power is a term for this resistance and centrifugal force. Its blindness is its indifference to what exists. It is an expression of a distancing of reality, of an escape:

“Of course writing is invariably also an escape from reality, if you will. But this is in itself a wrong judgement: it is simply another world and it would be wonderful if one could stay there. Yet one is repeatedly disturbed and then must work this disturbance into the writing.” (7)

(6) Heiner Müller, Krieg ohne Schlacht, Köln 1999 (4. Aufl.), S. 64.
(7) Heiner Müller, Gespräche 2, Werke 11, S. 518.

Complete text will be published at: Note on power

Marcus Steinweg: Notiz zur Kraft

Friday, November 12th, 2010

Wie jeder Schriftsteller, stellt sich Müller die Frage, was Schreiben sei. Er beantwortet sie, indem er Schreiben als blinde Kraft definiert: „ein Bereich von Freiheit und Blindheit gleichzeitig, völlig unberührt von allem Politischen“.(6) Zum Schreiben gehört Resistenz gegenüber den Tatsachen. Kraft ist ein Name dieser Resistenz und Fliehkraft. Ihre Blindheit ist Indifferenz im Verhältnis zum Bestehenden. Sie artikuliert eine Abstandnahme, eine Flucht:

„Natürlich ist Schreiben immer auch eine Flucht aus der Wirklichkeit, wenn man so will. Aber das ist schon eine falsche Bewertung: Es ist einfach eine andere Welt, und es wäre schön, wenn man dableiben könnte. Aber man wird immer gestört; und dann muß man die Störung mit einarbeiten.“ (7)

(6) Heiner Müller, Krieg ohne Schlacht, Köln 1999 (4. Aufl.), S. 64.
(7) Heiner Müller, Gespräche 2, Werke 11, S. 518.

Vollständiger Text erscheint unter: Notiz zur Kraft

Headfarm: China Ware

Tuesday, November 2nd, 2010

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Für Loredana

Monday, November 1st, 2010

Porzellan,
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Magnes: Black Hole

Monday, September 13th, 2010

In Poloni’s work the name “Ettore Majorana” symbolizes a certain affection, a feeling of being threatened by an abyss. An abyss of intrigues, a black hole, of atomic bombs, physics and politics. This black hole reminds me of Van Gogh’s yellow period or of Munch’s mad rotations – so different from the (moving or still) images of Einstein and his ideas in the Einstein Museum/Historisches Museum Bern which is situated only a few meters away from Poloni’s work at the Kunsthalle.

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Magnes: Poloni …

Friday, September 10th, 2010

For a certain time I was a character who helped authors to write about art and science.

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Marco Poloni

Friday, September 10th, 2010

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