Archive for the 'Mathematics' Category

IIIIIIIII

Thursday, November 9th, 2006

Der steinzeitliche Mensch oder der madegassische Kriegsführer, beide setzen nach Ifrah Schafe oder Soldaten, die an ihnen vorbeiziehen, mit Steinen, Kerben oder Stöcken gleich. Mir scheint dieser Akt der Zuordnung, bei dem ein Stein oder eine Kerbe einem Lebewesen entspricht, prinzipiell. Er verdeutlicht, dass die Frage der Individualität noch nicht gestellt ist. Stellen wir sie aber, wenn wir die gleichen Zahlworte eins, zwei, drei… für so unterschiedliche Dinge wie Autos, Tiere und Bücher verwenden?

02kerbholz.JPG.

NZZ Nr. 258

Tuesday, November 7th, 2006

– “Seit 1912 ist die Eisdecke des Kilimandscharo um 82 Prozent geschrumpft …”
– “Um rund 0,7 Grad sind die Temperaturen in Afrika während des letzten Jahrhunderts gestiegen.”

–  “In der Sahelzone sanken die durchschnittlichen Regenfälle in den zurückliegenden 30 Jahren um rund ein Viertel …”

– “Im gleichen Zeitraum schrumpfte der mitten in der Sahelzone gelegene Tschadsee um 95 Prozent.”

– “Die Zahl der Dürren nimmt zu, so dass inzwischen jeder dritte Afrikaner in einer potentiellen Dürrezone lebt.”

– “Sicher gibt es erfolgreiche Projekte, zum Beispiel im südlichen Niger, wo schätzungsweise 30 000 Quadratkilometer entwaldeten landes wieder aufgeforstet wurden.

– “Doch in den meisten anderen Staaten nehmen die Waldbestände in teilweise drastischen Tempo ab.”

Mit der Luft rechnen

Friday, November 3rd, 2006

d.h. mit dem Kopf oder mit der Hand rechnen, das wird im arabischen Kulturkreis seit dem siebten Jahrhundert von der indischen Rechenmethode unterschieden, bei der geschrieben werden muss.

Todfeindschaft – Vorhautgleitcreme

Thursday, November 2nd, 2006

Auf die mail eines Bloggers mit dem Namen “Vorhautgleitcreme” reagiert der libanesische Engel nicht. Der Engel unterscheidet zwischen Freunden und Gästen. Nicht jeder Gast ist beliebt.

Von Guido Cavalcanti kann man wissen, dass er nicht beliebt war, wenn er auch geschätzt und gefürchtet wurde. Bekannt ist sein Todfeind Corso Donati. Es wird mehr gegeben haben. Die Cavalcantis sind eine Familie von Emporkömmlingen. Vermutlich haben sie sich die neuen Rechentechniken mit dem Abakus des Gerbert, die Einführung des Nullzeichens und des Schreibens auf Sand behende in ihren Handelsgeschäften bedient. Deshalb waren sie schneller als die anderen im Rechnen. Das hat unheimlich gewirkt. Guidos Vater, Guido und vermutlich auch sein Bruder waren suspekt all denen, die von den neuen Techniken, die aus dem arabischen Spanien kamen, nichts wussten oder sie nicht anzuwenden verstanden. Das gilt für das schriftliche Rechnen auf Papier, das sich in Guidos Jahrhundert in Europa ausbreitet.

Guido wird 1259 oder 1261 in Florenz geboren, er wird 1267 – dann ist er acht oder sechs Jahre alt – verheiratet. Er stirbt im August 1300 nach einmonatiger Verbannung im Malariagebiet Sarzano.

Vom libanesischen Engel kann im Blog erfahren, dass er in Berlin gewohnt hat und nun in Bremen lebt. Der Engel teilt mit, dass er weiblich ist. In Gedichten erscheint er männlich. Brüder und ein Vater, der weggeht, vielleicht im Gefängnis sitzt, werden erwähnt. Die Freunde des Engels heissen:

aezpskin user status AlessandroDelPiero user status ArabzFinest user status Aynali32 user status BeyazKaranlik user status bildmitteilungen user status crazydriver1989 user status Esra93 user status kalay user status Kasim1 user status Khadische5831 user status KillerKirschle user status LaLaLandMD user status LibanesischerEngel user status LilGracia user status Melez user status MissxasLi52 user status MiZzxBraZiL user status MizzyDeLaParadize user status oOBASBELASIOo1 user status oOoLibanesinoOo user status oOosweetgirloOo user status papatyalim6 user status pudding user status Pussycat853 user status SchokoPriincess user status SinopDeliGht user status SirKeko user status TuniSxBeauty user status xbosnianchicax user status xCatyx user status xlYoUlxlMelx user status xSH3Q3RL3Rx user status xsweeDxpriinCessx user status XsWeEt66X user status XsWeEt66X user status xXdavidXx2 user status xXIzaBebiXx user status XxXPlayboy22XxX.

Ob sie real existieren oder andere Identitäten des libanesichen Engels sind, ist zumindest fragwürdig. Guido widmet einem Freund ein Gedicht. Den Namen des Freundes nennt er nicht. Mit anderen, die namhaft erwähnt werden, wechselt er Gedichte. Darunter sind Dante Alighieri, Bernardo da Bologna,Guido Orlandi … (Fortsetzung und Korrekturen folgen)

Cursor

Monday, October 30th, 2006

Übegriffe, Plünderungen und Leichenschändungen sind an der Tagesordnung. Wer es sich leisten kann, der unterhält eine Schutztruppe und sichert durch frühe Pflichtheirat der Kinder seine sozialen Bande. Mehr als ein Riss geht durch die Gesellschaft. Religion und Staat streiten miteinander, neue Schreib- und Rechentechnolgien breiten sich aus, ermöglichen schnellen Reichtum, der ebenso schnell wieder gewalttätig genommen wird.

Der libanesische Engel reagiert auf die Gewalt in seinem Heimatland, indem er Bilder aus dem Libanon in das Netz stellt: Ausserdem publiziert der Engel einen Text, der mit folgendem Bild endet:

libengelstellung.jpg

Der italienische Dichter Cavalcanti erlebt die mörderische Situation in seiner Heimatstand unmittelbar. Er reagiert auf Gewalt mit Gewalt, indem er auf einen erklärten Feind, der ihn auf einer Pilgerfahrt zu ermorden versucht hat, mit dem Speer zielt, dann reagiert er auf die Gewalt indirekt, indem er sein “Ich” als Kampfplatz auffasst. Als ausgebildeter Jurist und Sohn eines der reichsten Händler der aufsteigenden Metropole beherrscht er das Schreiben. Es heisst von ihm, dass er “viele anmutige Dinge besser machen konnte als jeder unserer Bürger”. Sicher bezieht sich dies auf die Gedichte Cavalcantis, mit denen er zum Meister des schönen neuen Stils der Liebesdichtung wurde. Wahrscheinlich ist damit mehr gemeint, etwas, das den Argwohn vieler erregte, zum Beispiel den behenden Umgang der Rechenkunst mit Linie und Null.

Auch in den Gedichten des libanesischen Engels wird Gewalt thematisiert, z.b. in: Mein ehemaliges Zuhause wo ich noch in Berlin gelebt habe:

… ich steh auf und sehe Blut an meinen jungen Händen
Unsere Welt: Alle Wände sind beschmiert
Meine Jungs verbrachten alle ihre Kindheit hier,
ich bin verwirrt, lieber Gott, zeig mir den rechten Weg.
Meine Nachbarin hatte schon mit 16 Aids.
Es ist jetzt zu spät, wohin wirst du mich dann führen?
Mama weint, denn die Bullen klingeln an der Tür
sag mir wofür sind meine Brüder hinter Gittern?
Überall scheint die Sonne doch hier ist Gewitter und im Winter sind die Heizungen auch
abgestellt, niemand hat mich je gefragt ob mir das gefällt …

Und ich frage mich was Liebe in der Welt noch heißt,
auf einmal merke ich ich bin hier und jetzt am Abstellgleis
wo du selten weißt was morgen passieren wird…

15.124 Besuche hat der libanesische Engel auf seinem Blog. Cavalcantis Gedichte sind Gegenstand gelehrter Untersuchungen, Abschriften seiner Gedichte sind Teil des italiensichen Kulturerbes. Als ausgebildeter Jurist ist er geübt in der Verwendung von Formeln. Das Sonett, die er von dem dichtenden Notar Giacomo da Lentini aus Sizilien übernimmt, die Kanzone, die er bei den südfranzösischen Troubadors kennenlernt, nutzt er virtuos als Rahmen, um die Zerstörung seines Selbst zu formen.

Er dichtet:

Meine Seele ist niederträchtig zerrüttet worden in der Schlacht, die aus dem Herzen kommt… [VII]
… das Herz hat Krieg und wenig Leben … [XI]
Warum sind mir die Augen nicht herausgerissen worden …? [XII]
Diese Tugend Amors hat mich auseinandergenommen … [13]

Der Liebesgott Amor und die Schönheit sind in den Gedichten Cavalcantis gewalttätig. Die galante und wohlklingende Form seiner Verse steht im Kontrast zur Grausamkeit der dargestellten Zerrüttung durch äussere Kräfte. Als deren Opfer inszeniert sich der Dichter. Vor dem Hintergrund der sozialen Spannungen und kulturtechnischen Innovation zur Zeit Cavalcantis ist diese Inszenierung als Zeugenschaft zu verstehen. Zeugenschaft nicht nur einer neuen sublimen Kunst, weltlich zu dichten, sondern einer Anstrengung, die Spannungen seiner Zeit stimmig auszudrücken. Die Gedichte drücken keine Hoffnung aus. Versöhnung, wie sie in Dantes Göttlicher Komödie als Heilserwartung vermittelt wird, kennt Cavalcanti nicht. Die dokumentierten, persönlich erlittenen Grausamkeiten seiner Zeit hallen wider in der abstrakten Rhetorik der Kämpfe zwischen den Bestandteilen der Seele des Dichters und der angebeteten Schönheit. Die biltà ist keine versöhnende Gottesmutter. Der Anblick der Schönheit erschüttert die Seele, verletzt sie, teilt das Herz des Dichtenden in Stücke.

Der Leichnam seines Schwiegervaters wurde auf Geheiss des Papstes aus dem Grab genommen und in unheiliger Erde verscharrt. Nicht dass Cavalcanti den Mann geschätzt haben muss, der Florenz einmal vor der Zerstörung rettete und dessen Tochter er heiraten musste, aber der Anblick von zerfallenen Körperteilen, die als Kadaver noch angeprangert und geschändet werden, war ihm vertraut. Eine Religion, die zu solcher Schändung aufruft, kann das Gemüt eines Lebendigen martern. So korrespondiert dem Schrecken auf den Strassen auch ein Schrecken im Seelischen. Der Dichter stirbt 1300, nachdem er sich während der Verbannung in das Malariagebiet Sarzano infiziert hat.
Der libanesische Engel kümmert sich nicht um ausgearbeitete Formen, folgt aber Rhythmen, die von den Söhnen Mannheims und anderen geformt werden. Wort und Bild zu verwenden, um Argwohn gegenüber den Verhältnissen auszudrücken, das scheint mir ein aufrichtiger Weg zu sein, um sich von der Widersprüchlichkeit der Zeit nicht verschlucken zu lassen. Cavalcanti gelang dies im 13. Jahrhundert, Bloggern wie dem libanesischen Engel mag dies auch heute gelingen… (Fortsetzung/Korrekturen folgen)

I

Monday, October 30th, 2006

dazu sagen wir eins. Zu II sagen wir zwei und nicht eins und noch eins. Zu III sagen wir weder zwei und eins noch eins und eins und eins. Wer berechtigt uns zu denken, dass immer wieder dasselbe I addiert wird? Ist I nicht von noch I und noch I unterschieden? Es vergeht doch Zeit zwischen der Wahrnehmung des ersten I und der Wahrnehmung des zweiten I und des dritten I? Ist I nicht jeden Moment Zeichen für eine andere Einheit, für eine Einheit, die jeweilig neu einer schon bestehenden Einheit hinzugefügt wird?

I I – –

Tuesday, October 24th, 2006

Zu den Zeichen muss etwas hinzu kommen. Die Turingmaschine sieht einen Lese- und Schreibkopf vor und eine Tabelle. In der Tabelle ist festgehalten, wie die Maschine auf Zeichen reagiert. Diese Vorstellung kann sich im Kopf festsaugen. Man beginnt über seineeigene Wahrnehmungen nachzudenken und unterscheidet dann zwischen dem Zeichen, dem Zustand, in dem man ist und wie sich der Zustand durch das Zeichen ändert. Es kommt etwas hinein, trifft auf etwas im Inneren, ändert das Innere und das ändert dann etwas Aussen.

Gherasim Luca, der von inneren Kamelen schreibt, switcht in dem Gedicht Bumerang zwischen der Beschreibung innerer Zustände und der Beschreibung der äusseren Umgebung. Der Sofabezug sieht aus wie ein Stoppelfeld, im Inneren dürsten Kamele. Im Unterschied zur Turing-Maschine sind die im Gedicht beschriebenen Übergänge nicht strikt determiniert. Ich frage mich, ob Gherasim Luca noch so zwischen Wahrnehmungen und Empfindungen switchen könnte, wenn er sich des Mechanismus einer Turing-Maschine bewusst würde.

Offensichtlich läuft in meinem Inneren eine Maschine, die bestimmte differenzierte Wahrnehmungen gleich behandelt. Gleich behandelt sie Nachrichten über Urananlagen im Iran (“Es ist nur einige Gramm hier, einige Gramm da”), dem Monatsverdienst eines Fremdenführers in Simbabwe (100 Dollar offizieller Kurs/19,1 Dollar Schwarzmarktkurs), der seine Kinder aus Geldmangel von der Schule nehmen muss und Anzeigen hoher Uhrmacherkunst. Ich nehme diese Nachrichten wahr, mein Zustand ändert sich nicht. Meine Maschine ist nicht darauf ausgelegt, auf diese Wahrnehmungen differenziert zu reagieren.

Nachdenken muss ich allerdings bei der Bemerkung, dass die behelfsmässigen Häuser in Simbabwe nun mit grösseren Abstand als früher voneinander gebaut werden. Das ist eine Vorsichtsmassnahme, mit der die Bewohner der Hütten auf die Zerstörung der Behelfssiedlungen durch die Regierung reagieren. Der grössere Abstand zwischen den Hütten erlaubt es, bei einer Polizeiaktion “zumindest einige Gegenstände in Sicherheit” zu bringen. Diese Mitteilung löst bei mir den Prozess des Nachvollzugs aus. Ich stelle mir vor, dass die Bewohner einer Hütte die Zerstörung der Nachbarhütte vorausschauend als mögliches Signal verwenden, um ihre Hütte zu räumen, bevor das Zerstörungskommando auch sie erreicht. Der räumliche Abstand bedeutet einen zeitlichen Vorsprung, der zur Sicherung von Gegenständen genutzt werden kann.
Die Mitteilung verblüfft mich, löst in mir die gedankliche Tätigkeit der Relationsbildung zwischen Raum und Zeit aus. Messen bedeutet nach Nikolaus von Kues, dass eine Relation gestiftet wird. Das ist die zentrale Voraussetzung für das Erkennen. Was aber leistet hier Erkenntnis? Sie macht mir bewusst, dass ich unbeholfen Anteil nehme am Elend anderer, derer in Simbabwe zum Beispiel, von denen die NZZ Nr. 247, S.7 berichtet.
Meine Überlegungen gleichen dem Elend so wenig, wie ein Quadrat einem Kreis gleicht.

– II oder I – –

Monday, October 23rd, 2006

Mögliche Darstellung der Zahl Drei. Wie kommt zum Einen und zum Anderen ein Drittes? Ein Alphabet mit nur zwei Zeichen muss zur Darstellung der Drei ein Zeichen wiederholen. Die Drei unterscheidet sich damit von der Eins und der Zwei, wenn man ein binäres System wählt. Diesen schlichten Befund möchte ich aufwerten, indem ich an die Schlange und Jesus Christus erinnere. Das gnostische religiöse Denken unterscheidet zwischen einer guten Welt und einer schlechten, zwischen einer geistigen und einer materiellen Welt. Zwischen beiden Welten bewegt sich die Schlange. Sie ist das Dritte, das die beiden Welten – die eine gute und die andere schlechte –  miteinander in Verbindung setzt. Maschinen sind wie diese Schlangen konzipierbar. Sie verkörpern etwas Geistiges (ein Naturgesetzt, eine Regel), damit nehmen sie  Raum zwischen der Welt der Sinne und der Welt des Verstandes ein, sie sind Zwitterwesen. Das erlaubt, sie als Schiffe zu verstehen, die zwischen Küstenstädten Verbindungen herstellen oder auch – wie das Schiff des Theseus – die Verbindung der Athener mit den Göttern ihrer Stadt bekräftigen. Solche Schiffe bestehen aus laufenden und stehenden Gütern. Am Bild des Schiffes gefällt mir, dass es mit Vagheiten wie schwankenden Winden und Strömungen umgehen muss. Ich wünsche mir, dass Maschinen als Schiffe denkbar werden, in denen poetische Formen verwendet werden. Davon verspreche ich mir, dass das Schiff flexibel in unsicheren Verhältnissen navigieren kann. Denn ich habe Mühe, der Turingmaschine die Navigation in schwierigen Gewässern anzuvertrauen. Allerdings reizt der Gedanke, mit der Maschine die eigene Seele zu entdecken. Sie wird dann selbst zu einem Reich, das sich zwischen harten und weichen Grenzen ausbreitet.

Zweieinheitlichkeit I –

Saturday, October 21st, 2006

Da ist der Mensch zunächst in einem Zustand des Tunings. Die Umwelt tunt ihn, durchdringt ihn unmittelbar. Dann findet er ein Mittel, Unterscheidungen zu treffen. Ein mentaler Zwischenraum spannt sich auf. Er unterscheidet das Eine vom Anderen, beginnt allmählich verschiedene Formen der Zeitlichkeit zu unterscheiden, später entwicklelt er Worte und Schriftzeichen. In der Vokalschrift hält er die Äusserungen seiner selbst fest. Materialisiert in der Schrift, entfernt von seinem Körper, tritt ihm das, was in ihm war, entgegen. Das ist nach Jaynes der Moment, wo der Mensch aufhört, Maschine zu sein und das Bewusstsein eines Selbsts zu entwickeln. Doch die Maschinen kehren zurück. Das Bewusstsein hadert mit sich, es spürt immer wieder maschinelle Komponenten in sich auf. Diesen Zwiespalt halte ich für produktiv: Immer wieder nach Maschinen in sich selbst suchen, so als stehe man immer wieder auf einer Schwelle zwischen zwei Zuständen: Einem naiven vorbewussten und einem kritisch seines Selbsts bewussten Zustand. Die Crux ist, dass der Zustand des Bewusssteinseins eines Selbsts, den Gedanken der “unbewusst” arbeitenden Maschine benötigt, um sich von ihm abzugrenzen. Ohne die Vorstellung von unbewusst ablaufenden Prozessen, ist das Bewussstein eines Selbsts undenkbar. Wir sind immer eingespannt. Eine Chance sehe ich darin, den Maschinengedanken zu komplementieren. Komplementieren, das verheisst allerdings eine einheitliche Form. Das ist trügerisch. Angemessener ist die Idee des bastelnden, stockenden Ergänzens, zum Beispiel, dem Einbau poetischer Funktionsformen in den Maschinengedanken.

scharfdumm

Thursday, October 19th, 2006

– liebes Leid
– süsse Bitterkeit
– grausame Güte
– Eile mit Weile.

Diese Zusammstellung von Gegensätzen ist eine Technik, um Widersprüchliches zu thematisieren. Finden wir heute dazu den Mut? Heidegger würde lästernd kommentieren, dass wir schnell nach einem Wertesystem suchen, um die Widersprüche als Grade einer Skala zu begreifen und rechnerisch zu verwalten*. Vorschnell polemisiert der Denker aus dem Schwarzwald gegen die Mathematik. Sie kann entgegen Heideggers Polemik als reines Mittel verstanden werden, das gestattet, Widersprüche zu entdecken. Das ist die Chance, die dieser Blog wahrzunehmen sich bemüht.
Widersprüche zu entdecken, zu benennen und zu ertragen, das ist eine dringliche ästhetische, ethische Herausforderung. Die Dichter des Mittelalters haben sich dieser Aufgabe gestellt und die Stilfigur des Oxymorons (grieichisch: scharfdumm) geprägt. Die Troubadours und Minnesänger beschwörten die Liebe und hielten zugleich das Brennen, Foltern und Morden, das in ihrer Gegenwart stattfindet, fest. Campbell, Schöpferische Mythologie, S. 233 weist auf parallele Stilfiguren im Buddismus hin:

– eine Sphäre, die keine Sphäre ist
– das torlose Tor
– endloser Augenblick
– volle Leere.

* Im jüngsten Libanonkonflikt war zu beobachten, das zunächst die Bomben und Toten gezählt wurden. Diese Zahlen bestimmten erst die Presseberichte. Mit dem Zustandekommen der Uno-Resolution 1701 wurden dann die Zahlen der zu entsendenen Soldaten für die Berichte relevant. Bemerkt wurde zum Beispiel, dass Berlusconi Berechnungen aus dem Ärmel schüttelte (NZZ 28.8.06), betont wurde später (30.8.06), dass der Grossteil der 2496 italienischen Soldaten des Uno-Truppe an Bord der Schiffe bleiben soll und nur 980 von ihnen an Land gehen werden.