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Zu den Zeichen muss etwas hinzu kommen. Die Turingmaschine sieht einen Lese- und Schreibkopf vor und eine Tabelle. In der Tabelle ist festgehalten, wie die Maschine auf Zeichen reagiert. Diese Vorstellung kann sich im Kopf festsaugen. Man beginnt über seineeigene Wahrnehmungen nachzudenken und unterscheidet dann zwischen dem Zeichen, dem Zustand, in dem man ist und wie sich der Zustand durch das Zeichen ändert. Es kommt etwas hinein, trifft auf etwas im Inneren, ändert das Innere und das ändert dann etwas Aussen.

Gherasim Luca, der von inneren Kamelen schreibt, switcht in dem Gedicht Bumerang zwischen der Beschreibung innerer Zustände und der Beschreibung der äusseren Umgebung. Der Sofabezug sieht aus wie ein Stoppelfeld, im Inneren dürsten Kamele. Im Unterschied zur Turing-Maschine sind die im Gedicht beschriebenen Übergänge nicht strikt determiniert. Ich frage mich, ob Gherasim Luca noch so zwischen Wahrnehmungen und Empfindungen switchen könnte, wenn er sich des Mechanismus einer Turing-Maschine bewusst würde.

Offensichtlich läuft in meinem Inneren eine Maschine, die bestimmte differenzierte Wahrnehmungen gleich behandelt. Gleich behandelt sie Nachrichten über Urananlagen im Iran (“Es ist nur einige Gramm hier, einige Gramm da”), dem Monatsverdienst eines Fremdenführers in Simbabwe (100 Dollar offizieller Kurs/19,1 Dollar Schwarzmarktkurs), der seine Kinder aus Geldmangel von der Schule nehmen muss und Anzeigen hoher Uhrmacherkunst. Ich nehme diese Nachrichten wahr, mein Zustand ändert sich nicht. Meine Maschine ist nicht darauf ausgelegt, auf diese Wahrnehmungen differenziert zu reagieren.

Nachdenken muss ich allerdings bei der Bemerkung, dass die behelfsmässigen Häuser in Simbabwe nun mit grösseren Abstand als früher voneinander gebaut werden. Das ist eine Vorsichtsmassnahme, mit der die Bewohner der Hütten auf die Zerstörung der Behelfssiedlungen durch die Regierung reagieren. Der grössere Abstand zwischen den Hütten erlaubt es, bei einer Polizeiaktion “zumindest einige Gegenstände in Sicherheit” zu bringen. Diese Mitteilung löst bei mir den Prozess des Nachvollzugs aus. Ich stelle mir vor, dass die Bewohner einer Hütte die Zerstörung der Nachbarhütte vorausschauend als mögliches Signal verwenden, um ihre Hütte zu räumen, bevor das Zerstörungskommando auch sie erreicht. Der räumliche Abstand bedeutet einen zeitlichen Vorsprung, der zur Sicherung von Gegenständen genutzt werden kann.
Die Mitteilung verblüfft mich, löst in mir die gedankliche Tätigkeit der Relationsbildung zwischen Raum und Zeit aus. Messen bedeutet nach Nikolaus von Kues, dass eine Relation gestiftet wird. Das ist die zentrale Voraussetzung für das Erkennen. Was aber leistet hier Erkenntnis? Sie macht mir bewusst, dass ich unbeholfen Anteil nehme am Elend anderer, derer in Simbabwe zum Beispiel, von denen die NZZ Nr. 247, S.7 berichtet.
Meine Überlegungen gleichen dem Elend so wenig, wie ein Quadrat einem Kreis gleicht.

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