Archive for 2007
Nairobi, Russland (Monadenzwicken Nr. 81)
Tuesday, April 10th, 2007Nr. 81 meldet, dass in Nairobi die Beschneidung von Mädchen verboten wird; ebenso, dass in Russland Scientology einen Prozess gewinnt. Das sind zwei Nachrichten, die eine Redaktion für die Leser einer Zeitung zusammenstellen. Diese Informationen sollen für das Leben der Leser relevant werden. Er wird informiert.
Um Informationen zu verarbeiten, benötige ich eine Vorbildung, eine Vorformung. Diese Vorform reguliert meinen Umgang mit Informationen. Im Leser muss etwas angelegt sein, dass er die Information wahrnimmt und für sein Leben relevant werden lässt. Monaden sind nach Leibniz vorgeformt. Sie sind Seelenatome. Diese Seelenatome sind so gebaut, dass sie auf Informationen reagieren können. Ihre Reaktionen sind programmiert. Sie sind programmiert, weil ein Plan existiert. Dieser Plan sieht vor, wie die Monade sich entwickelt.
Monaden können sich für bestimmte Entwicklungen entscheiden. Das können sie, weil sie Einsicht entwickeln. Sie können Einsicht in den Plan entwickeln, nach dem sie funktionieren.
Wie aber soll man auf die Nachrichten von Nr. 81 reagieren? Kein Plan ist in Sicht.
Atomuhren, Herrschaftsmaschine, Kant
Monday, April 9th, 2007Nr. 80 hält fest, dass China in der Schweiz gleich 30 Atomuhren bestellt.
Nr. 80 lässt auch Burkhard Hirsch Stellung nehmen: „Egon Bahr hat geschrieben, Staatsraison gehe vor Menschwürde. Das ist falsch. Ohne Achtung vor der Menschenwürde verliert der Staat jede Raison. Er wird zur Herrschaftsmaschine, die man fürchten muss, aber nicht mehr achten kann.“
Herrschaftsmaschine ist ein Begriff, gegen den Kant die Vernunft setzt. Ein Staat, der Vernunft entwickelt, ist keine Maschine, sondern ein Medium der Freiheit. Damit der Staat Vernunft entwickeln kann, müssen Individuen Vernunft entwickeln. Vernunft entwickeln bedeutet, dem eigenen Willen ein Gesetz zu geben. Mir gefällt an dieser Betrachtungsweise, dass sie zur Handlung motiviert, anstatt über Ursachen zu grübeln. Lässt sich das auch für den Klimawandel, Folter und anderes Übel in der Welt nutzen? Vielleicht in dem Sinn, dass man nicht nach einem Übel sucht, dass andere Übel verursacht, sondern nach Prinzipien, mit denen jeder künftig das Übel vermeiden helfen kann.
Entstehung in Kinshasa
Monday, April 9th, 2007Jemand eröffnet eine Tankstelle in Kinshasa. Sie floriert. Der Betreiber installiert darauf hin eine Strassenlaterne an der Tankstelle und versorgtsie mit Strom aus einem einem eigenen Generator. Im Schein der Laterne siedeln sich Bars und ein Internetcafe an. Das Hotel an der Ecke erhält Auftrieb. Leben entsteht, verdichtet sich im Umkreis der generatorgetriebenen Laterne. Filip de Boeck: Das Lachen Kinshasas. In: Lettre Frühjar 2007.
Cyberkant
Friday, April 6th, 2007Die Cyberwelt wurde inszeniert als Raum unbedingter Freiheiten, indem sich eine Vielzahl von Lebensformen spielerisch vorwegnehmen lassen. Sie hat dabei Züge der „intelligiblen Welt“ Kants adaptiert.
Problematisch an der Ideologie der Unbeschränktheit von Cyberwelt und Virtualität ist, dass sie ihre eigene Bedingtheit nicht denken kann. Das Denken der Bedingtheit ist jedoch eine Chance, Differenzen wahrzunehmen. Die Wahrnehmung der eigenen Begrenztheit bietet die Möglichkeit, das Andere, das Neue, das Unbeschränkte wahrzunehmen. Die Chance zu solchen Wahrnehmungen markiert Kants Kompass. Er vermittelt nicht. Stattdessen zeigt er an, dass menschliches Erkenntnisvermögen seine Begrenztheit anerkennt und sich dennoch strukturell offen erweist. Die Wahrnehmung von Unterschieden ist die Voraussetzung für mögliche Vermittlungen. An eine Vermittlung zwischen Metaphysik und Physik hat Kant noch bis kurz vor seinem Tod gedacht. Er hoffte, noch ein weiteres Hauptwerk schreiben zu können, dass die Übergänge zwischen der Welt der intelligiblen Welt und der empirischen Welt klärend darstellt.
Das Problem der Vermittlung zwischen Verstandeswelt und sinnlicher Welt bleibt bestehen. Der Kantsche Ansatz lädt dazu ein, zunächst Differenzen festzustellen und dann mögliche Übergänge und Vermittlungen zu denken. Das ist eine Aufgabe geblieben.
Warten
Thursday, April 5th, 2007An bestimmten Stellen brechen wir die Suche nach Ursachen ab, zum Beispiel wenn von menschlichen Versagen die Rede ist oder von einer menschlichen Tragödie, einem Selbstmörder, der sich vor einen Zug gestürzt hat. In anderen Fällen erstarren wir bei unserer Suche, dann wenn von terroristischen Aktivitäten die Rede ist oder von einer Naturkatastrophe.
Nicht jeder erstarrt, wenn er plötzlich warten muss, sondern mancher findet in der Politik, in der Armut im Klimawandel Ursachen, die erklären, warum Strecken gesperrt, Flugzeuge nicht landen können und Zeitpläne durchkreuzt werden. Es muss etwas zuvor geschehen sein, das uns jetzt in diese Lage versetzt hat. Findige sprechen von einem Schmetterlingseffekt. Ein kleine Ursache genügt, um ein mächtiges System wie das Klima zu verändern, Stürme zu erzeugen, die die technische Welt zum Stillstand bringen und uns zum Warten verpflichten.
Wir müssen beim Warten einsehen, dass wir nicht Herr über unsere Zeit sind. Sind wir deshalb Sklaven?