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Gerrit Lansing: Von bezeichnenden Steinen, übersetzt von Marina Sawall
Monday, September 26th, 2016Es gibt vier philosophische Steine, über die Elias Ashmole im Vorwort zu seiner Anthologie Theatrum Chemicum Brittannicum * schreibt, den Minerallischen Stein, den Vegetabilen, den Magischen und den Engellhaften.
1. der Minerallische, „der, der aufgebracht wird nur [bis] zu dem Grad, der die Kraft hat, jedwede Imperfekte Erdige Materie in ihren größtmöglichen Grad an Perfektion zu Verwandeln.“
2. … „durch den Vegetabilen kann man die Natur des Menschen, der wilden Tiere, der Vögel, der Fische zusammen mit allen Arten von Bäumen, Pflanzen, Blumen etc. perfekt verstehen, genauso die Art und Weise, wie man sie dazu bringt, zu wachsen, zu blühen und Früchte zu tragen; wie man ihren Geschmack und Geruch verbessert, und wann und wo wir es uns wünschen, und all das nicht nur in einem einzigen Moment, Experimenti gratis, sondern Täglich, Monatelich, Jährlich, zu jeder Zeit; ja, in der Tiefe des Winters.“
Vom Vegetabilen Stein „wird der männliche Teil … aufgebracht zu einer solaren Qualität, und durch seine extreme Hitze wird er jede Kreatur, jede Pflanze verbrennen und zerstören. Das, was an ihm Lunar und Feminin ist, wird jene (bei sofortiger Anwendung) mit seiner Kälte mildern und in der Art und Weise betäubt und festigt die Lunare Qualität jedes Animallische etc. so lange, bis ihm direkt von jener der Sonne geholfen und es erlöst wird; auch wenn beide aus einer Natürlichen Substanz gemacht sind; sie haben doch gegenteilige Qualitäten: nichtsdestotrotz gibt es solch eine natürliche Assistenz zwischen ihnen, dass das, was die eine nicht tun kann, die andere der beiden kann, und ausführen wird.
Ihre inneren Tugenden übertreffen auch nicht ihre äußerlichen Schönheiten; denn der Solare Teil ist von solch strahlendem transparentem Glanz, dass das Menschliche Auge es kaum auszuhalten vermag; und wenn der Lunare [Teil] draußen in einer dunklen Nacht ausgesetzt wird, werden Vögel von ihm angezogen (und umrunden ihn) wie die Fliege eine Kerze, und sie begeben sich in die Gefangenschaft der Hand: Und das veranlasst mich dazu, zu glauben, dass der Stein, den der alte Eremit (er war damals 140 Jahre alt) aus der Wand seiner Zelle genommen hat, und bezeugt von Cornelius Gallus** , Anno 1602, vom Wesen dieses Vegetabilen Steins gewesen ist: Denn (öffnete man seine Goldene Schachtel, in der er eingeschlossen war) verteilte er seine Strahlen im ganzen Raume, und das mit so großer Herrlichkeit, dass er das Licht überstrahlte, das darin entzündet war; zudem lehnte der Eremit es ab, ihn auf Metall (als dessen unwürdig) zu projizieren, führte aber sein Experiment mit Ehrenpreis und Weinraute durch.
3. Mit dem Magischen oder Prospektiven Stein ist es möglich, jede Person in jedem Teil der Welt zu entdecken, sie kann sich nie gut genug verbergen oder verstecken; in Kammern, Schränken oder Erdhöhlen: denn er führt eine strikte Inquisition durch. Kurz gesagt, präsentiert er dem Blick sogar die ganze Welt, in der Ihr erblicken, hören oder sehen könnt, was ihr euch wünscht. Mehr noch befähigt Er Menschen, die Sprache der Tiere zu verstehen, wie das Zwitschern der Vögel, das Brüllen der wilden Tiere etc. Um einen Geist in ein Bild zu überführen, das durch Beobachten der Einflüsse Himmlischer Körper zu einem wahrhaften Orakel wird: Und doch ist dies, wie Euch E.A. versichert, in keiner Weise Geisterbeschwörendd, oder Teuflisch; sondern einfach, auf wundersame Weise einfach, Natürlich und Ehrlich.
S. Dunston nennt ihn Engelsnahrung, und von anderen wird er bezeichnet als Himmlisches Viaticum; Der Lebensbaum, und [er] ist unbezweifelbar (gleich unter GOTT) der wahre Alchochodon, oder Jahresgeber; denn durch ihn wird der Menschliche Körper vor Korruption bewahrt, wobei er dazu befähigt wird, lange Zeit ohne Nahrung zu überleben; nein, es ist sogar die Frage gestellt worden, ob ein Mann, der ihn benutzt, überhaupt Sterben kann.“
** Anm. d. Übers.: Mit Cornelius Gallus ist nicht der römische Dichter (70 v. Chr.–27/26 v. Chr.) gemeint, sondern der Niederländer Frederick Gallus. Ashmole (1617-1692) verweist hier auf dessen Bericht über seinen Besuch der Klause von St. Michael (im Thüringer Wald oder in Tirol?) im Jahr 1602 (oder 1603), siehe Stanton J. Linden: The Alchemy Reader: From Hermes Trismegistus to Isaac Newton (Cambridge/New York: Cambridge Univ. Press, 2003), p. 228, FN 19; weitere Literaturhinweise in: Christian Mouchel/Colette Nativel [Hg.]: République des Lettres, République des Arts. Mélanges offerts à Marc Fumaroli, de l’Académie Française (Genf: Librairie Droz, 2008), p. 107, FN 20.
Gerrit Lansing / Elias Ashmole / Übersetzung: Marina Sawall nach: Gerrit Lansing, “Of Signifying Stones”, in: Heavenly Tree, Northern Earth (Berkeley: North Atlantic Books, 2009), p. 243-44.
Sampurna Chattarji: Anmut
Thursday, September 15th, 2016Kristalle bilden sich unter Druck
Unter Druck stürmt die Sykamore
Keine Warnung heute
Die Flut trifft nicht auf heftigen Regen
Wir können sicher die Küsten umarmen
Mit unseren Füssen im Meer paddeln
In die Winde waten
Barfuss über Felsen laufen
Im Bewusstsein nicht fortgespült zu werden
In jedem Stein steckt ein Wort
Ich sammle sie, langsam
So kann ich mich selbst versenken,
wenn die Zeit ohne morgigen Tag anbricht.
Sampurna Chattarji, Grace, deutsche Worte von Nils Röller
Headfarm: Mandelwasser
Tuesday, September 13th, 2016I Es war wie die Wogen von Mandelwasser unter den Ruderschlägen im Frühjahr. (Mykola Chwyljowyj, Elegie, Schreibheft 86, S. 122).
Headfarm: Stunde – Nunc stans
Sunday, September 4th, 2016I Stunde, stand.
I Es hiess, sie, es, er habe gestanden oder gestunden, eine Stunde hätten sie gebildet in dem Augenblick, der entstand, als sie da waren, sie, er, es.
I Glas. Fleck. Auge.
I Die Litanei der einzelnen, die da am Limmatplatz oder an einem anderen Ort waren, an der Grenze, im Zentrum, der Stadt, im Buch und es war ein Moment, ein Augenblick, in dem sich alles änderte – das Glas im Wasser – das Wasserglas, die Tropfen darin, die sich glichen und fügten zum Wasser im Glas, wie sie, die an den Grenzen, im Zentrum, sich bilden als Gruppe und wiederverteilt werden. Das geschieht.
I Denkbar wird durch die Worte nunc stans ein Augenblick, der bleibt, Stunde wird, die sich ausdehnt in der Zeit von einem Moment zum anderen, ein stehender Augenblick wird, Stunde, Fleck, Farbe, die sich ausbreitet. Sie erhält einen Rand, ein Glasrand, der wie die Küste Frankreichs sich verändert, unendlich, nur annäherungsweise messbar wird in seinen Buchten, Krümmungen und den Sandstränden, an denen sich mit jedem Wellenschlag die Trennung von Land und Wasser neu ergibt.
I Glasrand, den unsere Lippen nicht fassen können, wenn er sich zersplittert, in dem Augenblick, in dem wir trinken und den Schrecken, der dadurch entstünde, uns nicht mehr gestattet, jemals mehr ein Glas an den Mund zu setzen, nicht mehr den Moment der Frische zu spüren, das entstünde nicht mehr.
I Wäre dieser Moment doch nicht entstanden.
Sampurna Chattarji: Grace
Thursday, August 18th, 2016Crystals form under pressure
Under pressure the sycamore storms
There is no warning today
High tide will not coincide with heavy rain
We can safely hug the shores
Paddle our feet in the seas
Wade into the winds
Walk barefoot over the rocks
Knowing we will not be swept away
Inside every stone is a word
I am collecting them, slowly
So I can sink myself when it comes
The time of no tomorrow
Headfarm
Monday, August 15th, 2016I Wir finden erst Worte in uns, in unserer Farm, wenn wir Worte ausserhalb von uns gesammelt haben, das können auch Worte sein, die einzelne von uns andernorts, auf Papier, in Stein, in Magnetspeichern abgelegt haben.
I Können wir Zeichen in Steinen speichern, Zeitschichten wie Flöze unter der Erde?
I Kristalle bilden sich unter Druck.
Headfarm: Leere, Leukipp
Thursday, July 7th, 2016I Während Mauern aus Steinen entstehen, bilden in einem Gitter Drähte Löcher.
I „Hierauf also gibt Leukipp dadurch Antwort, dass er das nicht-seiend Leere selber zum Sein erklärt erhebt. ‚Die (seienden Dinge) würden im Leeren dahin getragen‘ heisst es im Bericht des Aristoteles weiter, ‚denn das Leere sei‘“. (Diels, a.a.O., S. 96).
Headfarm
Saturday, June 25th, 2016I Atome haben Felle, stinken wie verletzte Sänger (Tristan).
Steinzeit
Monday, June 13th, 2016„Eine junge Frau in einem Interieur hält eine Waage und stützt sich dabei auf einen Tisch, auf dem Perlen und Geldstücke liegen.“
Victor Stoichita, Das selbstbewusste Bild – Vom Ursprung der Metamalerei (München: Fink, 1998), S. 185