Archive for 2006
Zweieinheitlichkeit I –
Saturday, October 21st, 2006Da ist der Mensch zunächst in einem Zustand des Tunings. Die Umwelt tunt ihn, durchdringt ihn unmittelbar. Dann findet er ein Mittel, Unterscheidungen zu treffen. Ein mentaler Zwischenraum spannt sich auf. Er unterscheidet das Eine vom Anderen, beginnt allmählich verschiedene Formen der Zeitlichkeit zu unterscheiden, später entwicklelt er Worte und Schriftzeichen. In der Vokalschrift hält er die Äusserungen seiner selbst fest. Materialisiert in der Schrift, entfernt von seinem Körper, tritt ihm das, was in ihm war, entgegen. Das ist nach Jaynes der Moment, wo der Mensch aufhört, Maschine zu sein und das Bewusstsein eines Selbsts zu entwickeln. Doch die Maschinen kehren zurück. Das Bewusstsein hadert mit sich, es spürt immer wieder maschinelle Komponenten in sich auf. Diesen Zwiespalt halte ich für produktiv: Immer wieder nach Maschinen in sich selbst suchen, so als stehe man immer wieder auf einer Schwelle zwischen zwei Zuständen: Einem naiven vorbewussten und einem kritisch seines Selbsts bewussten Zustand. Die Crux ist, dass der Zustand des Bewusssteinseins eines Selbsts, den Gedanken der “unbewusst” arbeitenden Maschine benötigt, um sich von ihm abzugrenzen. Ohne die Vorstellung von unbewusst ablaufenden Prozessen, ist das Bewussstein eines Selbsts undenkbar. Wir sind immer eingespannt. Eine Chance sehe ich darin, den Maschinengedanken zu komplementieren. Komplementieren, das verheisst allerdings eine einheitliche Form. Das ist trügerisch. Angemessener ist die Idee des bastelnden, stockenden Ergänzens, zum Beispiel, dem Einbau poetischer Funktionsformen in den Maschinengedanken.
NZZ
Saturday, October 21st, 2006“Tödlicher Kuss der `Zivilisation` für die Nukak Maku – Dem Urwald entrissene Indianer in Kolumbien als Opfer der Gewalt”.
NZZ Nr. 245, S. 7.
Rumstunden
Saturday, October 21st, 2006Wortfund im Schreibheft Nr. 67, S.5: Aden – Gedicht
von Ales Steger.
Zweieinheitlichkeit
Friday, October 20th, 2006Erst der Gedanke des Anderen, zum Beispiel an einen Moment, der anders war als der jetzige, führt zur Entdeckung, dass es Eines gibt, das in ein Mehrerlei geteilt werden kann (zum Beispiel in das Mehrerlei von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft). Das Andere führt zur Rekonstruktion des Einen, die Zwei zur Entdeckung der der Eins.
scharfdumm
Thursday, October 19th, 2006– liebes Leid
– süsse Bitterkeit
– grausame Güte
– Eile mit Weile.
Diese Zusammstellung von Gegensätzen ist eine Technik, um Widersprüchliches zu thematisieren. Finden wir heute dazu den Mut? Heidegger würde lästernd kommentieren, dass wir schnell nach einem Wertesystem suchen, um die Widersprüche als Grade einer Skala zu begreifen und rechnerisch zu verwalten*. Vorschnell polemisiert der Denker aus dem Schwarzwald gegen die Mathematik. Sie kann entgegen Heideggers Polemik als reines Mittel verstanden werden, das gestattet, Widersprüche zu entdecken. Das ist die Chance, die dieser Blog wahrzunehmen sich bemüht.
Widersprüche zu entdecken, zu benennen und zu ertragen, das ist eine dringliche ästhetische, ethische Herausforderung. Die Dichter des Mittelalters haben sich dieser Aufgabe gestellt und die Stilfigur des Oxymorons (grieichisch: scharfdumm) geprägt. Die Troubadours und Minnesänger beschwörten die Liebe und hielten zugleich das Brennen, Foltern und Morden, das in ihrer Gegenwart stattfindet, fest. Campbell, Schöpferische Mythologie, S. 233 weist auf parallele Stilfiguren im Buddismus hin:
– eine Sphäre, die keine Sphäre ist
– das torlose Tor
– endloser Augenblick
– volle Leere.
* Im jüngsten Libanonkonflikt war zu beobachten, das zunächst die Bomben und Toten gezählt wurden. Diese Zahlen bestimmten erst die Presseberichte. Mit dem Zustandekommen der Uno-Resolution 1701 wurden dann die Zahlen der zu entsendenen Soldaten für die Berichte relevant. Bemerkt wurde zum Beispiel, dass Berlusconi Berechnungen aus dem Ärmel schüttelte (NZZ 28.8.06), betont wurde später (30.8.06), dass der Grossteil der 2496 italienischen Soldaten des Uno-Truppe an Bord der Schiffe bleiben soll und nur 980 von ihnen an Land gehen werden.