Thursday, April 12th, 2007

Die Gestirne erscheinen bewegt. Auch Magnetsteine bewegen. Die Gründe der Bewegungen sind in beiden Fällen nicht wahrnehmbar. Wie sind die Menschen früher damit umgegangen? Sie glaubten an Götter und sie glaubten daran, dass die Götter die Planeten bewegen und dass Götter und Planeten den Menschen bewegen. Heute bieten die Naturgesetze Erklärungen an, doch der Grund aller Bewegung ist immer noch nicht geklärt. Daher die Theorien vom Urknall, daher auch das Interesse, im CERN und an anderen Orten die Bausteine der Materie zu erforschen.
Kant gibt zu bedenken, dass die Suche nach Ursachen eine Form des Verstehens ist. Sie entspringt dem menschlichen Verstand und hat nicht in der Natur eine Ursache.
Wie verhält es sich mit der Kultur. Wir wissen, dass der Mensch Klimaschwankungen, Nahrungsmittelmangel oder -überfluss verursacht. Damit haben wir noch nichts für die Bewältigung des Schadens geleistet, den der Mensch verursacht. Lässt sich das Handeln verändern? Können wir einen magnetischen Pol bestimmen, der uns hilft, die menschlichen Tätigkeiten gerechter einzusetzen?
Solch ein Pol ist der Pflichtbegriff Kants. Das klingt alles andere als ermutigend, oder doch?
Das Cern meldet einen Unfall, bei dem Magneten beteiligt sind. Das mag ein Zufall sein, kann aber auch ein Anlass sein, über den Magnetismus nachzudenken. The loving stone wird der Magnet in Antike und Mittelalter genannt. Um 1600 untersucht ihn William Gilbert experimentell und systematisch. Er übt sich darin, unwahrnehmbare Kräfte zu erproben. Das ist ein Faszinosum des Magnetismus, das er unwahrnehmbar wirkt. Der Mensch besitzt keine sinnliche Wahrnehmung für magnetische Kräfte. Er kann nur beobachten, was ein Magnet bewirkt: Anziehung und Abstossung.

Während eines Belastungstests sind bei einem Bauteil, das aus drei hintereinander angeordneten Magneten besteht, einem “inneren Triplet”, Probleme aufgetreten. Einer der Magnete löste sich aus der Verankerung und zerstörte ein Anschlussrohr für elektrische Verbindungen.
Die Cyberwelt wurde inszeniert als Raum unbedingter Freiheiten, indem sich eine Vielzahl von Lebensformen spielerisch vorwegnehmen lassen. Sie hat dabei Züge der „intelligiblen Welt“ Kants adaptiert.
Problematisch an der Ideologie der Unbeschränktheit von Cyberwelt und Virtualität ist, dass sie ihre eigene Bedingtheit nicht denken kann. Das Denken der Bedingtheit ist jedoch eine Chance, Differenzen wahrzunehmen. Die Wahrnehmung der eigenen Begrenztheit bietet die Möglichkeit, das Andere, das Neue, das Unbeschränkte wahrzunehmen. Die Chance zu solchen Wahrnehmungen markiert Kants Kompass. Er vermittelt nicht. Stattdessen zeigt er an, dass menschliches Erkenntnisvermögen seine Begrenztheit anerkennt und sich dennoch strukturell offen erweist. Die Wahrnehmung von Unterschieden ist die Voraussetzung für mögliche Vermittlungen. An eine Vermittlung zwischen Metaphysik und Physik hat Kant noch bis kurz vor seinem Tod gedacht. Er hoffte, noch ein weiteres Hauptwerk schreiben zu können, dass die Übergänge zwischen der Welt der intelligiblen Welt und der empirischen Welt klärend darstellt.
Das Problem der Vermittlung zwischen Verstandeswelt und sinnlicher Welt bleibt bestehen. Der Kantsche Ansatz lädt dazu ein, zunächst Differenzen festzustellen und dann mögliche Übergänge und Vermittlungen zu denken. Das ist eine Aufgabe geblieben.