Archive for March, 2007

Weisse

Friday, March 2nd, 2007

Und Gott sagt zum Menschen:
„Ich bin von Deinen Schöpfungen, die despotischste, die besessenste und die rätselhafteste nach dem Verb“
Und der Mensch sagt:
„Bin ich das Verb?“
Und Gott sagt:
„Ich bin die Befragung des Verbs.“
Und der Mensch sagt:
„Bin ich das Verb, das in Frage steht?“
Und Gott sagt:
„Dass Dein Hauch, oh Weisse, die bevorzugte Beschriftung im schwarzen Marmor Meines Worts sei. Von dem, was während des Tages fiebrig geschrieben wird, erlauben uns die Tafeln der Nacht die Lektüre“.

Edmond Jabès

Friday, March 2nd, 2007

185.jpg

Muttererde

Thursday, March 1st, 2007

“Jede Geste, jedes Zeichen, all das, dessen ständige Offenbarung die Zeichen sind, setzt eine Trennung voraus, einen radikalen Abstand von der Identität: als Identität des Selbst mit der eigenen Muttererde, mit der eigenen Sprache, mit sich selbst.” Massimo Cacciari: “Die Weisse und die Schwärze”. In: Röller, Nils: Migranten.

Hinter dem Ofen hocken

Thursday, March 1st, 2007

“Nun habe ich noch keinen klugen Mann kennengelernt, der nicht gern erfahren hätte, welchen tieferen Sinn diese Geschichte hat und was sie an guten Lehren bietet. Sie wird freilich, wie ein tüchtiger Turnierritter, nicht versäumen, zu fliehen und zu jagen, zu weichen und anzugreifen.” Das Verhalten der Geschichte richtet sich nach den Eigenschaften der Lesenden, der wiederum aus der Geschichte nutzen zieht und sich nach ihr richtet: “Wer sich in all diesen Wechselfällen auskennt, den hat sein Verstand recht geleitet. Er wird nicht hinter dem Ofen hocken, nicht irregehen und sich auch sonst gut in der Welt zurechtfinden. Unredliche Gesinnung gegen andere führt ins Feuer der Hölle und zerstört alles Ansehen wie Hagelwetter. Die Zuverlässigkeit solcher Gesinnung hat einen so kurzen Schwanz, dass sie schon den dritten Stich nicht mehr abwehren kann, wenn im Walde die Bremsen über sie herfallen“ Parzival, I, 1: 5f.


Thursday, March 1st, 2007

bild5.jpg

Canto XIII ?/07

Thursday, March 1st, 2007

Es ist einfach genug. In zwei Weltkriege haben sich die Amerikaner bereits einmischen müssen, der Pazifik gehört mittlerweile Amerika, die Kulturgeschichte auch. Whitman und Pound sichern Amerika in Langgedichten die Hohheit über die Weltkultur. Ihren Cantos setzt Newman die Gesänge von 18 Lithographien entgegen.

Setzt er entgegen oder hält er schlicht inne? Innehalten ist Bedingung für Veränderung. Nicht plötzlich anrennen oder voreilig frustiert, Gemüt und Gliedmassen vor der Gewalt strecken: Nein, Atem holen und dann beharrlich einen eigenen Kurs entwickeln und halten. Newman setzt der Sinnproduktion, dem Kampf um die Weltherrschaft der Zeichen, Flächen und Farben entgegen, fängt sie ein, siebt sie aus. Was können sprachliche Zeichen angesichts der Flächen leisten?

Newman, der Sänger, hält Töne, testet und wägt ab. Er ist ein Mann der Verhältnisse. Abwägen bedeutet nicht Messen, sondern Verhältnisse zu bedenken, zu empfinden. Empfinden wird möglich, wenn das Gemüt seine gewöhnlichen Muster verlässt, überrascht wird oder sich ausruht und entspannt das Meer betrachtet, die Wüste, den Himmel, die Farben und Flächen Newman`s.

Hilft dies weiter angesichts der heutigen Zeichenproduktion? Macht es Sinn zu atmen, innezuhalten angesichts einer Meldung aus der südafghanischen Provinz Kandahar, die mitteilt, dass mindestens drei afghanische Wächter einer amerikanischen Sicherheitsfirma bei einem Anschlag getötet wurden? Zwei Wachmänner seien bei der Explosion des fern gezündeten Sprengsatzes verletzt worden (Nr. 32). Es macht Sinn, hier nach den Verhältnissen zu fragen, nach den konkreten Hintergründen.

Es macht auch Sinn zu fragen, was das bedeutet. Denn diese Fragen werden neben konkreten Antworten auch weitere Fragen aufreissen, die unser Verhältnis zur Welt betreffen, deren Geschehen unsere Fähigkeiten derzeit überfordert. Doch Überforderung war bisher immer auch eine Chance. Um sich ihr zu stellen, ist es notwendig, die Muster auszuwechseln. So verstehe ich die beharrliche Arbeit und Sorgfalt Newman`s, der uns vermittelt, dass wir anders singen lernen können.