Archive for the 'Mathematics' Category

Canto XVI ?/07

Monday, March 5th, 2007

Die Gewalt drängt, sie erreicht uns täglich in den Zeitungen und Fernsehnachrichten. Zeitweilig erschüttert sie uns, meistens irritiert sie uns, überwiegend nehmen wir ihr Referat achselzuckend zur Kenntnis. Beschäftigen wir uns mit einzelnen Meldungen wie zum Beispiel in Nr. 40, dann investieren wir Zeit, die uns für die alltäglichen Geschäfte fehlt. Wir spüren, dass wir den Boden unter den Füssen verlieren, wenn wir den Nachrichten folgen. Sie sprechen eine klare Botschaft. Es kann nicht so weiter gehen; dennoch wollen wir, dass es weitergeht und vertagen unsere Beschäftigung mit den Botschaften und den Konsequenzen für unser Leben.

Wir trennen ab, teilen auf, orden zu. Ein Teil unserer Zeit gehört den Nachrichten, ein anderer Teil unseren Aufgaben, ein weiterer Teil unserer Entwicklung. Newman stört diese Aufteilung. Ihn stört, dass Kritiker die Gliederung seiner Gemälde und Lithographien in unterschiedliche Farbflächen als Aufteilung, als Trennung, begreifen. Den weissen Streifen, den er auf den Lithostein klebt, um beim Druck ein weisses Band (Zip) zu erzeugen, sah er nicht als Trennmittel, nicht als Mittel, das eine Fläche in drei Flächen teilt, sondern als Mittel um „Onement“ zu realisieren.

“Onement” bedeutet, dass die Farbflächen miteinander eine Einheit bilden. Diese Einheit bildet sich vermittelts der Unterscheidung. Können wir die Nachrichten von Toten als Zips verstehen, als Teile unserer Existenz? Ja, aber dabei kann es nicht bleiben. Sie sind nicht Teil im Sinne eines oberflächlichen ästhetischen Arrangements von Welterfahrung, sondern üben eine Funktion aus. Sie artikulieren die Zumutung der Welt, lassen die Zumutung der Welt erfahrbar werden.

Diese Zumutung ist ein Anlass von Newman Gesängen. Seine Cantos sind Aufforderungen, dass auch wir singen und mitteilen, dass wir im Aufruhr sind. Nebenbei sei bemerkt, dass Newman mit dem Titel des „onement“ ein Konzept der modernen Mathematik anspricht, des Intuitionismus. Der spricht von der Zwei-Einheitlichkeit des Denkens. Sie beruht auf der Einsicht in Wechsel von vergangenen und gegenwärtigen Momenten, die jegliche menschliche Erfahrung als zeitlich begreift.

Canto XI ?/07

Friday, February 23rd, 2007

Schreit es uns entgegen? Breitet es freundlich und hell Zuversicht aus? Zitronengelb oder Spülmittelgelb? Sengend oder singend? Ein klares Gelb, gleichmässig und souverän, stimmt der Sänger Newman an. Diesem Gelb korrespondiert ein satteres, zuversichtlicheres Grün. Hinter diesem Grün erstrahlt in Flecken, die sich zu gleissenden Ozeanen ausbreiten können, das Gelb. Was ist das für ein Gesang, der dem Gelb soviel Vermögen gestattet? Ein Gesang, der teilt, ungerecht teilt, der dem Gelb die Macht zugesteht, sich im Grün auszubreiten?

Newman halbiert in den Cantos Bildhälften oder er teilt sie in drei ungleiche Teile. Er viertelt nicht, er fünftelt nicht. Das eine wird geteilt in zwei oder in drei. Wenn es in drei Flächen geteilt wird, kommt ein weiteres Moment der Ungleichheit hinein. Denn eine Fläche der drei – Kunsthistoriker nennen sie wohl Zip – ist ein dünner Streifen, der schmal gegenüber den anderen bleibt.

Wenn wir den Gesang zu übersetzen beginnnen, die Farben als Symbole verstehen, zum Beispiel als Zeichen für die Wüste, die Sonne, die Nacht und das Polarmeer verstehen, dann verlassen wir die Ebene des visuellen Ausdrucks. Newman lädt uns dazu ein. Denn er nennt seine Lithographien Gesänge. Er legt so bereits nahe, Fläche und Farbe als Worte zu verstehen, die gesungen werden. Er ermutigt uns, die Wahrnehmung der Flächen und Farben in die Sprache zu übersetzen.

So, dann übertragen wir sie, zum Beispiel auf Sätze aus Nr.32, die an den Fussballkrawall in Catania erinnern, der mit einem Todesopfer und sechzig Verletzten endete. Hat diese Notiz etwas mit den Gesängen Newman`s gemeinsam? Nur indirekt, und zwar die Figur der Diskrepanz, die diese Notiz erfordert. Wir sollten nicht schnell die Notiz übersetzen, indem wir in dem gemeldeten Geschehen eine Zeichnung des Schiksals sehen. Wir sollten den gemeldeten Krawall nicht ästhetisieren und als Kontrast zwischen Gruppen auffassen. Uns bleibt, ihn als Anlass zu einem Gesang zu verstehen, zu einem Gesang in Anlehnung an Newman.

Es ist ein trauriger skeptischer Gesang, ein Gesang, der nicht feiert, der nicht stilisiert, sondern nennt und damit zur Sprache bringt, was schnell vergessen wird. Zur Sprache bringen, dass in unserer Welt Grausames geschieht, zur Sprache bringen, dass wir uns dem Grausamen ausliefern, zur Sprache bringen, das unser Gemüt verschlammt, wenn wir darauf verzichten, eine Sprache, eine Zeichenproduktion zu finden, die zumindest diese Diskrepanz zwischen Geschehen, Empfinden und Verstehen artikuliert.

Hierin liegt eine Setzung Newman`s. Er singt nicht als Schwärmer, er singt nicht beschwörend. Er singt die Kontraste, die Ungleichheit, die Machtverhältnisse, die schon durch die unterschiedlichen Wirkungen von Farben und Flächen artikuliert werden. Heroisch, sublim ist daran allein der Auftrag und die Pflicht, die Newman annimmt und weitergibt: Den Gesang nicht sterben zu lassen.

Stiefels Triumph

Friday, February 23rd, 2007

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Quelle: http://binomial.csuhayward.edu/EuropePrior.html
 

 

Canto X ?/07

Thursday, February 22nd, 2007

Was kann nach dem Schwarz noch kommen?
Gelbschmutzig ist der Tag danach, der Tag nach der langen Nacht auf dem Polarmeer, der Tag nach der totalen Sonnenfinsternis, der völkervernichtenden Dunkelheit. Butterfett orange, gesättigt triumphierend, tritt eine Farbfläche im 10. Gesang auf. Das Schwarz ist überwunden, die Nacht ist überwunden, die Polarfahrt des Menschen hat scheinbar ein Ende gefunden. Die Sonne ist zurückgekehrt. Aber wie sieht sie nun aus?

Fett, gesättigt, als habe sie alles verschlungen, die Finsternis und das Gros der Menschheit. Es bleiben Flüchtlinge, die unter der bleiernen Sonne zu überleben versuchen. Die Sonne wird lange so bleiben. Newman, der Sänger, will es so. Er mutet uns den Anblick der gesättigten Farbe zu und er weist uns darauf hin, dass diese Sättigung alles durchdringt, Felder, Boden, Städte sowieso. Newman stellt dem Gelb der linken Bildhälfte seines 10. Gesangs ein Dunkelgrün zur Seite, unter dem das quälende, trimphierende Gelb hervor scheint.

Das Gelb der Wüste frisst sich durch das Grün der rechten Bildhälfte hindurch. Fressen sich mit dieser Beharrlichkeit auch die Zahlen hinein in unser Gemüt? Ist unser Gemüt verfault? Verfault das Grün unserer Empfindung? Breitet sich unter ihm der sengende Wüstensand aus? Wir nehmen es zur Kenntnis und nehmen es doch nicht zur Kenntnis.

Die wachsenden Zahlen der täglich gemeldeten Toten, ihr Wachstumsgesetz ist schwieriger zu bestimmen als die Progression der Primzahlen. Vielleicht kann ein Statistiker voraussagen, wie die Zahlen der gemeldeten Toten sich täglich ändern. Sicher wissen wir, dass die Zahl der Toten wachsen wird. Die Gründe dafür sind vielfältig, vermutlich auf Armut und Perspektivlosigkeit zurückzuführen. Dabei schlägt das Verbrechen Capriolen, die schwer zu berechnen sind.

NZZ Nr. 32 berichtet zum Beispiel eine verbrecherische Pirouette aus dem mexikanischen Badeort Acapulco: Bei Überfällen auf zwei Polizeiwachen sind sieben Personen erschossen worden. Die Bande der Mordenden täuschte vor, die Waffen der Polizisten überprüfen zu wollen. Die Bande trat in militärischer Kleidung auf und gab an, einen Film über die Arbeit der Polizei drehen zu wollen. In der ersten Wache wurden drei Polizisten getötet, in der zweiten zwei weitere, eine Sekretärin sowie ein Staatsanwalt.

Die Zahl der Morde und die Zahl der Hungernden korrodieren die Voraussetzungen unseres Lebens (das Grün, mit dem wir rechnen, von dem wir glauben, dass es uns erhalten wird).Und diese Korrosionen sind vermutlich nicht berechenbar. Leibniz war noch überzeugt, dass alles sorgfältig berechnet worden ist. Der Schöpfer habe alles vorhergesehen, wir wissen nur zu wenig, um diese Vorhersage nachvollziehen zu können. Newman ist auch ein Schöpfer, ein Schöpfer, der uns an unser Unvermögen erinnert, die Welt wahrzunehmen. Er singt. Traurig ist sein Gesang. Der 10. Canto ist besonders traurig. Es herrscht Therastimmung.

Canto IX ?/07

Wednesday, February 21st, 2007

Voilà, nun erneut Schwarz, ein schwarzer Balken dominiert die Wahrnehmung. Er steht links, am Anfang, dort, wo wir zu lesen beginnen. Es ist das Schwarz des Anfangs. Ist es das Schwarz des Anfangs? Oder ist es das Schwarz, das auf uns zukommen wird, wenn wir so weiter schreiben? Wenn wir die Welt mit den schwarzen Zeichen bedeckt haben? Zweierlei Schwarz: Das Schwarz des Dunkels, das die Mythologien an den Beginn der Schöpfung stellen; das Schwarz der Schrift, mit dem die Menschen die Natur überschreiben. Schwarz am Ende und Schwarz am Anfang. Hier steht es am Beginn der Lesebewegung. Der Blick zieht es mit, es wirft seinen Schatten auf das Aralblau, das vier Fünftel des Blatts bedeckt.

Apropos Fünftel. Wir befinden uns jetzt in der Hälfte von Newman`s Cantos. Es ist das neunte Blatt. Es werden noch weitere Blätter folgen. Die Numerierungen der Blätter schreiten fort wie das Schwarz, wie eine Walze, die einmal in Bewegung gesetzt, nicht mehr zu stoppen ist, so bewegen sich die Zahlen: Canto I, Canto II, Canto III, Canto IV… Doch die Bewegung wird abbrechen, sie wird nach neun weiteren Blättern abbrechen. Wird sie abbrechen? Die Bewegung der Zahlen hat eine Bewegung der Farben und Flächen in Gang gesetzt, die kein Ende finden muss, aber kann. So verstehe ich das Fünftel schwarzer Fläche am linken Bildrand. Es lässt die Möglichkeit weiterer Farbwechsel erstrahlen. Es ist als Anfang und Ende, Anfang der natürlichen Schöpfung und Ende der menschlichen Schöpfung konzipierbar.

Der Migrant Jabès spricht vom Schwarz der Buchstaben und dem Weiss der Seite. Das Weiss ist die Wüste, das Schwarz ist die Zeichenwüste, die dem Menschen mit der Schöpfung übergeben wurde. Der Migrant wandert von Wüste zu Wüste, zwischen der Wüste der versengenden Sonne, dem Hunger und dem Durst und der Wüste des Verlangens der Buchstaben, die Sehnsucht nach dem, was die Zeichen bedeuten, weckt. Das kann eine Sehnsucht nach der Quelle der Welt und eine Sehnsucht nach der Quelle der Urheber der Zeichen sein. Vielleicht haben Welt und Zeichen gemeinsame Urheber?

Kann es sein, dass die Schöpfung vorhergesehen hat, was der Mensch mit ihr alles anstellen wird? Dass der Mensch schreiben wird, dass er andere Menschen erschlagen, chikanieren, quälen und foltern wird, dass er auch die Natur chikanieren wird? Hat das die Schöpfung vorhergesehen, als sie die Welt aus dem Dunkel treten liess?

Dem Schwarz kann man alles zumuten. Vielleicht hat Newman es deshalb am linken Rand in der Hälfte der Cantos platziert. Es ist ein Angebot abzulegen, abzuwerfen. Es ist eine Ablage, auf der die Mühe des Vorherigen platziert werden kann. Es kann den Ekel, das Unwürdige, den Schrott, das Scheitern aufnehmen. Es ist ein Abgrund. Dieser Abgrund entlastet. Zugleich kann es immer wieder auftauchen. Es taucht bei Newman immer wieder auf, damit taucht auch alles Abgelagerte wieder auf, das von Menschen Geschaffene, die verursachte Trauer, aber auch die Hoffnung, allerdings weiss man nicht welche Hoffnung:

NZZ Nr. 38
NZZ Nr. 23
NZZ Nr. 20
NZZ Nr. 19
NZZ Nr. 28
NZZ Nr. 18?
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Canto VIII ?/07

Tuesday, February 20th, 2007

Die Teilung steht. Sie stellt fest. Sie entscheidet, was links und was rechts ist. Links und Rechts, das sind zwei Welten, die sich auf einem schmalen Grat berühren: Rechts-Links, West-Ost, Nord-Süd, Reich-Arm, Gläubig-Ungläubig,Verlierer-Gewinner, diese Gegensätze berühren sich, berühren sie sich?

Die Welt ist geteilt. Barnett Newman hält es so fest. Er teilt eine Bildfläche in zwei gleiche Hälften, so als gebe es eine gerechte Aufteilung einer Fläche. Zugleich schafft er Ungleichgewichte. Die Farbe der einen Seite drängt sich hintergründig auf, scheint hinter der Farbe auf der anderen Seite auf und umgekehrt. Die Farben lassen eine solche strikte Trennung nicht zu, sie gewinnen wechselseitig im Kontrast. Barnett Newman legt es darauf an, dass sie sich unvorhersehbar vom Hintergrund in den Vordergrund spielen. Einmischen, aber nicht Durchmischen oder Aufmischen, so stelle ich mir auch ästhetische Strategien vor, die sich mit den bestehenden Ungerechtigkeiten nicht zufrieden geben. Gegen die Ungerechtigkeit unserer Wahrnehmungen und gegen unser beschränktes Vermögen zu empfinden, lässt sich Hilfe in einem ästhetischen Schatz finden.

Zugang gewinnt man zu ihm mit einer Spekulation über Teilung. Ist die Aufteilung der Welt in Gegensätze zwingend? (Gegensätze zwischen Ost und West, christlichen Regierungen und muslimischen, zwischen Sunniten und Schiiten). Ist das Denken in Gegensätzen urmenschlich oder ist es ein Produkt der Umstände, besonders des Monotheismus? Oder schlicht der Armut und der Verzweiflung?

Die moderne Physik (Lisa Randall), die sich anschickt, neue (verborgene) Dimensionen zu entdecken, kann hier Hinweise geben. Sie lehrt, dass ein Bombenanschlag, den NZZ Nr. 38 meldet, als ein Hinweis auf eine Dimension des menschlichen Miteinanders oder Gegeneinanders verstanden werden kann. Das ist ein Auftakt zu einer Wahrnehmungslehre, die selbst ein Schritt zu einer Handlungslehre ist. Entferntes wie die Meldung, dass ein Bombenanschlag im Südosten Irans am Mittwoch elf Personen das Leben gekostet hat, nehmen wir so nicht als etwas von uns Getrenntes wahr, sondern als Hinweis auf eine verborgene Dimension, die in unserer Welt wirkt und uns deshalb. Das ändert unsere Handlungen. Da gibt es mindestens zwei Strategien. Die Strategie der Abschottung: Wir erhöhen die Mauern um uns. Oder die Strategie der Öffnung: Wir werden durchlässig. Newman führt vor Augen, wie nah die Trennung von zwei Farben an der Durchdringung von zwei Farben liegt.

Canto VI ?/07

Friday, February 16th, 2007

Wieder Schwarz, wieder Weiss, wieder schwarz-rauchige Fäden auf einer weissen Fläche. Wiederholen wir das Spiel vom Vordergrund und Hintergrund? Oder gehen wir den Nuancen nach? Folgen jetzt nicht dem rotseidenen Segel, das sich auf den anderen Seiten der Drucke zeigt?

Newman fordert uns auf, Nuancen als Chancen zu begreifen. Er beginnt erst uns aufzufordern, da wir uns seinen Wahrnehmungsangeboten wiederholt widmen. Erst wenn wir beginnen, uns näher mit seinen Cantos zu beschäftigen, uns Zeit und Raum nehmen, seine Angebote wahrzunehmen, beginnt er uns aufzufordern. Geht man dieser Aufforderung nach, stolpert man über Unendlichkeit. In den Nuancen lassen sich weitere entdecken, vielleicht unendlich viele Nuancen. Schnell, zu schnell, vorschnell beginnt man, wenn man begonnen hat, sich Zeit zu nehmen, von Unendlichkeit zu sprechen.

Wer aber möchte Unendlichkeit? Möchte man nicht vielmehr klare Enden sehen, zum Beispiel das Ende des Tötens? NZZ Nr. 23 meldet, dass bei einem Granatenangriff auf eine Mädchenschule im Westen von Bagdad 5 Schülerinnen gestorben sind und 20 Menschen verletzt wurden. Wer will, dass diese Zahlen in das Unendliche fortschreiten?

Widmet man sich den einzelnen Zahlen, fragt sich was Tod von 5 Schülerinnen bedeutet, entfalten sich Nuancen: Waren es alle Schülerinnen der Schule oder waren es fünf aus einer grösseren Gruppe? Was für eine Schule ist dort getroffen worden? War es eine Schule, die mit Mitteln eines ehemaligen deutschen Soldaten gebaut worden ist, einem Mann, der mit seiner Familie seit Jahren Gelder für den Unterricht weiblicher Muslime sammelt, weil er überzeugt ist, dass auch Frauen Zugang zu Bildung haben müssen?

Wieviel Schülerinnen müssen nun mit dem Choc leben, dass sie beim Versuch, ein Grundrecht wahrzunehmen, getötet werden? Werden die Väter der gestorbenen Mädchen nun ihren anderen Töchtern den Gang in die Schule verbieten? Diesen Fragen kann man beharrlich nachgehen und ich denke, dass Newman solche Beharrlichkeit schult. Es ist die Beharrlichkeit der Geduld, einer Geduld, die sich nicht abfindet mit dem, was andere als Gegeben ansehen.

Canto V ?/07

Thursday, February 15th, 2007

Eine weisse mit schwarzen Fadendampf durchkräuselte Fläche hebt sich am rechten Seitenrand vor einem schwarzen Hintergrund ab. Der weisse Vordergrund auf dem Hintergrund der schwarzen Bildfläche kippt um: Der weisse Vordergrund wird zum Hintergrund, vor dem sich rauchartig Schwarz entfaltet. In diesen schwarzen Rauchfäden nistet sich wiederum Weiss ein, das punktuell wieder in den Vordergrund gerät. In den Vordergrund der amerikanischen politischen Berichterstattung gerät derzeit die Frage, ob ein schwarzer Mann Präsident der Vereinigten Staaten werden kann. Dabei wird die Frage gestellt, ob der schwarze Mann überhaupt schwarz ist.

Fragen nach schwarzer und weisser Hautfarbe schwelen schon seit langem, schwelten schon im Mittelalter, als der Held Gachmuret die schöne schwarze König Belakane von Zazamanc verliess. Aus dieser Geschichte quellen Gestalten wie Feirefiz, Herzeloyde und Parcival hervor. Die Debatte über die Schwärze des farbigen möglichen Präsidentschaftskandidaten, drängt die Wahrnehmung von George Bush in den Hintergrund.

Die NZZ Nr. 20 erwähnt, dass er den Status einer lahmen Ente erreicht hat. Diese Erwähnung steht im merkwürdigen Verhältnis zu anderen Nachrichten über die Politik des George Bush, die gleichfalls gemeldet werden: Tote bei Kämpfen mit Amerikanern im Irak, die Freilassung Norriegas und verdeckte Einsätze der US-Armee in Afrika. Die Worte „lahme Ente“ ziehen die Aufmerksamkeit von der ausgeübten tatsächlichen Wirkund der Politik dieses Mannes ab, die in drei Kontinenten zugleich wirksam ist.

Es wäre vielleicht besser, vom Status einer sich unbewegt stellenden Krake zu sprechen, deren Kopf sich demütig und ruhig vor den Volksvertretern verhält, während seine Tentakel Gewalt in Gebieten ausüben, die Tausende von Kilometern entfernt liegen. Statt Metaphern mögen vielleicht mathematische Formeln besser die Unterschiede zwischen der Fernwirkung und der Nahwirkung in der Politik darstellen. Formeln signalisieren, dass etwas nicht prima vista zu begreifen ist, nicht in Metaphern aus vorindustriellen, prädigitalen Verhältnissen darstellbar ist. Metaphern wie diese beruhigen das Denken mit einem Muster, anstatt es zur Tätigkeit zu motivieren.

Obwohl sie nach einem einfachen Muster angefertigt zu sein scheinen, gelingt es den Cantos von Newman, dem Denken einfach Fragen zu stellen. Kompliziert stellt Ezra Pound hingegen Fragen in seinen Cantos. Newman möchte Pound aus guten Gründen nicht die Vorherrschaft über dieses wichtige Wort „canto“ lassen. Könnte das Wort „Lied” oder die Gedanken an die Farbflächen Newmans einem Menschen helfen, der mutlos und zerstört in einem Folterkeller sitzt, in einem Folterkeller, der eingerichtet worden ist, weil das opportun zur Politik von George Bush ist?

Descartes – der entscheidende Zug des cogito wird meist übersehen

Tuesday, February 13th, 2007

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Vektoren, Spuren, Navigation

Tuesday, February 13th, 2007

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Navigo, ergo….? Ein bischen. Immerhin finde ich mich via GPS. Die Orientierung in japanischen Städten ist nicht leicht. Die Strassen haben keine Namen, dafür ist aber alles in Kasten und Kästchen und Unterkästchen eingeteilt. Land, Stadt, Stadtteil, Bezirk, Block, Haus, Apartment. Selbst die Taxifaher irrten lange Zeit in der Stadt umher und mussten sich von ihren Fahrgästen an die richtige Adresse leiten lassen. Bis es eines Tages in den 90er Jahren GPS und elektronische Karten und Zielführungssoftware erschwinglich wurden.

Mein Garmin GPS, weil Produkt einer taiwanesisch-amerikanische Firma, liefert zwar Seekarten mit verlaeslichen Tiefen-(und Untiefen-) Angaben fuer japanische Küstengewässer, aber keine Strassenkarten. (Die Firma hatte wohl keine Lizenz fuer die komplizierten japanischen Strassen erwerben koennen.) Allerdings zeichnet das Gerät meine Fahrten auf. So ist meine Karte von Tokio autogen: nur die schon abgefahrenen Routen sind verzeichnet. Da weiss man, wo man war.

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