Archive for 2007

Monday, March 5th, 2007

192.jpg

IIa

Monday, March 5th, 2007

SchotenSchattenSchuppenPilze IIa


Ein assoziatives Textgewebe zu Bildern von Barbara Ellmerer.

von Urs Faes

Da ist zuerst das, ja was denn, das Rot, vielleicht das Rot, kräftig, massig vor dem Schwarz, rollend, quellend, züngelnd, leckend; und dann die Punkte, weiss, geflockt und geflammt; feinflockig weiss wie der Stamm, bandagenweiss; ein weisswarziger Gürtel, schorfartig, bröckelig, der in den Kopf wächst, mit einem Kragen von Grau, in den Hut, die Huthaut, den Pilzkopf mit Vorhaut; und dann ist auch noch das zitronenfarbige Fleisch.
Eine amorphe Gestalt also, züngelnd, schwebend, lockend, sehr lockend, ein Pilz, Fliegenpilz, amanita muscaria aureola, verheissungsvoll schön, wie der Name.

Verborgen unter dem schönen Anblick, ein Saft, geschmacklos, ein Gift, träufelnd, tropfend, verehrt im wedischen Somakult, ein Soma, das in andere Welten führt, aphrodisisch, ins Herz von Indra, ins Herz der Frau, der Lust, dem Tod, der langsam kommt, allmählich, stundengedehnt: der Exitus erfolgt nach zwei Tagen.
Am Grunde der Pilzgestalt dann diese eiförmig weisse Knolle, im Volksmund das Geschlecht, konzentrisch warzig, phallisch. Das hat schon immer, schon beim Ritter Parzival, Mannhaftigkeit, aufquellende Lust verheissen, das die Frauen ihren Männern, „wenn das Gemächte nach der Heuernte müde war“ in Liebestränken verabreichten zu neuer Lust, selbst wenn sie, bei Überdosis, tödlich war, zum Rot des aufschäumenden Bluts: der Passion.
Säfte, die schäumen, sich kräuseln, schleimig, sämig, sahnig.
Da ist das Thema angeschlagen: Der Knollen, das Geknotete, Gekräuselte, das Gemächte und Gewölle, pilzig, ein Geschlecht, schuppig, schattig, fliegenpilzrot.

So gehen wir ins Liebesarchiv, innerlich gespannt, Lust und Tod nah, und da sind sie wieder, die Farben, das Rot, ein verletzliches Rot hier, Wasserhaut, Gazeschleier.

Und das gekräuselte Schwarz, punktiert, gestrichelt, geschlängelt die Schlange: grüsst da Eva? Vom Baum der Erkenntnis her, nackt wie Judith im Buch, jetzt Vera, die so nackt aus dem Zimmer ging, wie er noch nie eine Frau aus dem Zimmer hatte gehen sehen.
Ihr Haar. Ihre Stimme.
Judith oder Vera? Oder einfach Frau? In Strich und Schraffur.
Die Frau als Auge und Mund und Ohr? Und je nach dem Blut, das dir quillt aus Aug, Mund oder Ohr wechselt der Schlüssel, heisst es bei Celan, der Schlüssel, der öffnet. Das Blut als die Wunde, die Verletzung, das Zeichen der Verletzlichkeit?
Ist darum das Rot dieser Bilder ein wasserweiches, durchscheinendes Rot, hineinwachsend ins Schwarz, ins gepünktelte, gekräuselte; schwarz, wühlend schwarz.
Später ein schon dunkleres Rot, fleckig, gefleckt, und wieder gekräuselt, gewöllt, schuppig, ja schuppig, zottig und zotig, pilzig. Pilz, Eichel, Bovist? Darüber kreisend der Strich, gewölbt, die Wölbung, das Gewölle?

Oeffnung wieder und wieder, Sprung und Springquell; und ein Hingehauchtes ist da noch, getupft, geschupft ins Weiss, ein Hauch, der sich niederschlägt am Glas, eine Kontur, ein Begehren. Eine Sehnsucht vielleicht doch? Die Sehnsucht Frau? Als Blume, wie das erotische Volkslexikon sie nennt, in vielen Namen: Jungfernbirne, Jungfernkitzel, Jungfernpalme, Jungfernrosmarin, Jungfernstrauch, Jungfernzucht, Jungfer im Haar, Jungfer im Hemd, Jungfer im Grün. So lauten die Namen von Pflanzen. Der Vater hat all die Namen gekannt, die Namen der Bäume und Pilze, der Frauen.
Oder einfach Frau? Als Blume: Frauenkraut, Frauenmantel, Frauennabel, Frauenhaar.
Der Knabe dachte an Judith.
Judith im knallroten Leibchen, ein Rouge carminé, das hatte den Zwölfjährigen verwirrt, eines Tages: weil es Judiths Brüste sehen liess, sehr weiss, mit etwas Dunklem, vielleicht ein Born oder Springquell. Pfarrer Sommer hatte den Zwölfjährigen aus dem Hohen Lied Salomos vorgelesen, von der Braut, die ein verschlossener Garten sei, ein versiegelter Born. Zwar wussten die Knaben nicht, was ein versiegelter Born sei, aber sie nickten.

Rot immer wieder auf diesen Bildern, dunkel geklumpt oder wässrig verwoben, verflochten. Das Rot der Pilze, der Fliegenpilze, blutrot, kirschrot, fleischrot, ein Scharlach, ein Scherbenrot.
Liebeszeichen, Blutzeichen? Die Farben fragen; Fragefarben sind da auf dem Weiss des Papiers, dem Weiss einer Landschaft, einer verborgenen, einer wiedergefundenen oder einer geahnten Sehnsucht?
Etwas, das fehlt, die Lücke, der Mangel?

 

Monday, March 5th, 2007

faunapaar.jpg

Canto XVI ?/07

Monday, March 5th, 2007

Die Gewalt drängt, sie erreicht uns täglich in den Zeitungen und Fernsehnachrichten. Zeitweilig erschüttert sie uns, meistens irritiert sie uns, überwiegend nehmen wir ihr Referat achselzuckend zur Kenntnis. Beschäftigen wir uns mit einzelnen Meldungen wie zum Beispiel in Nr. 40, dann investieren wir Zeit, die uns für die alltäglichen Geschäfte fehlt. Wir spüren, dass wir den Boden unter den Füssen verlieren, wenn wir den Nachrichten folgen. Sie sprechen eine klare Botschaft. Es kann nicht so weiter gehen; dennoch wollen wir, dass es weitergeht und vertagen unsere Beschäftigung mit den Botschaften und den Konsequenzen für unser Leben.

Wir trennen ab, teilen auf, orden zu. Ein Teil unserer Zeit gehört den Nachrichten, ein anderer Teil unseren Aufgaben, ein weiterer Teil unserer Entwicklung. Newman stört diese Aufteilung. Ihn stört, dass Kritiker die Gliederung seiner Gemälde und Lithographien in unterschiedliche Farbflächen als Aufteilung, als Trennung, begreifen. Den weissen Streifen, den er auf den Lithostein klebt, um beim Druck ein weisses Band (Zip) zu erzeugen, sah er nicht als Trennmittel, nicht als Mittel, das eine Fläche in drei Flächen teilt, sondern als Mittel um „Onement“ zu realisieren.

“Onement” bedeutet, dass die Farbflächen miteinander eine Einheit bilden. Diese Einheit bildet sich vermittelts der Unterscheidung. Können wir die Nachrichten von Toten als Zips verstehen, als Teile unserer Existenz? Ja, aber dabei kann es nicht bleiben. Sie sind nicht Teil im Sinne eines oberflächlichen ästhetischen Arrangements von Welterfahrung, sondern üben eine Funktion aus. Sie artikulieren die Zumutung der Welt, lassen die Zumutung der Welt erfahrbar werden.

Diese Zumutung ist ein Anlass von Newman Gesängen. Seine Cantos sind Aufforderungen, dass auch wir singen und mitteilen, dass wir im Aufruhr sind. Nebenbei sei bemerkt, dass Newman mit dem Titel des „onement“ ein Konzept der modernen Mathematik anspricht, des Intuitionismus. Der spricht von der Zwei-Einheitlichkeit des Denkens. Sie beruht auf der Einsicht in Wechsel von vergangenen und gegenwärtigen Momenten, die jegliche menschliche Erfahrung als zeitlich begreift.

Sunday, March 4th, 2007

191.jpg

Sunday, March 4th, 2007

190.jpg

Saturday, March 3rd, 2007

faunpaar.jpg

Saturday, March 3rd, 2007

189.jpg

Saturday, March 3rd, 2007

188.jpg

Saturday, March 3rd, 2007

Barbara! Alles Gute zur Eröffnung der Ausstellung.

187.jpg