Marcus Steinweg: Notiz zur Kraft

Heiner Müller hat nicht aufgehört darauf zu insistieren, dass zur Erfahrung Blindheit gehört. Kunst sei „eine blinde Praxis“,*  „Blindheit der Erfahrung“ der „Ausweis ihrer Authentizität“ .** Als blinde Kraft artikuliert sich alles, was auf Veränderung zielt, jede Dynamik (dynamis ist das griechische Wort für Kraft), die die etablierten Dispositive – seien sie sozialer, kultureller, ästhetischer Natur – destabilisiert, um sie schließlich zu redefinieren. Als „Mittel, die Wirklichkeit unmöglich zu machen“, *** ist Kunst eine solche blinde Kraft/Dynamik, die sich den bestehenden Programmen und Perspektiven entzieht. Zweifellos eignet ihr eine gewisse Rohheit, ein Mangel an Berechenbarkeit und Disziplin:

„Wenn man eine Erfahrung macht, kann man die nicht sofort auf den Begriff bringen – sonst wäre es gar keine!“****

* Heiner Müller, Schriften, Werke 8, Frankfurt a. M. 2005,  S. 244.
** Ebd., S. 218.
*** Ebd.
**** Ebd., S. 257.

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