Nils Röller: Jabès-Kompass – Subversion

Findet der Mensch ein subversives Verhältnis zu seiner Gewalt über andere Menschen und ihre Bedürfnisse? Vielleicht findet er es, wenn er mit den Zeichen seiner Macht zu spielen beginnt.

Gott, Natur: Zwei Pseudonyme des Menschen, die von ihm fordern, sich selbst subversiv zu definieren – als Sklave und als Herr seiner eigenen Verhältnisse.


Descartes’ Physik beansprucht, die materielle Welt – das Licht, die Sonne, die Planetenbewegungen und die Erde im Besonderen – mit dem Licht des Geistes zu durchleuchten. Dunkles, Obskures soll es nicht geben. Die Natur bleibt dunkel, solange die Begriffe und Prinzipien des Geistes unklar sind. Die Natur kann jedoch erhellt werden durch klare und deutliche Begriffe.

Klar ist auch, dass Licht Schatten wirft, wenn es auf Körper trifft, die nicht durchsichtig sind. Doch der Verstand, das “natürliche Licht”, kann klar und deutlich erfassen, dass selbst diese Körper durchdrungen werden. Zum Beispiel von kleinen Partikeln, die noch beweglicher sind als die Lichtpartikel. Partikel, die kleiner sind als die Lichtpartikel kann es geben, denn sie sind denkbar und nachweisbar: zum Beispiel gefurchte Partikel, mit denen sich Sonnenflecken, aber auch der Magnetismus erklären lassen. Der Mensch kann sich nicht vorstellen, dass etwas unbegrenzt teilbar ist, da er sich von der unbegrenzten Teilbarkeit kein Bild machen kann. Das kann aber kein Grund sein, an diesen Partikeln zu zweifeln.

Subversion besteht nicht in der schlichten Verkehrung von Licht und Schatten, von hell und dunkel, Gefühl und Erkenntnis. Ein subversives Verhältnis zur Natur setzt nicht bei der Vertauschung von Mensch und Natur an, sondern bei einer Veränderung des Menschen. Er denkt sich die Natur nicht als etwas, das ihm untertan ist, noch als etwas, dem er untertan ist. Die Natur ist für ihn etwas, von dem er abhängig ist, das sich jedoch an seiner Abhängigkeit erfreut und gefällig erweist. Von diesem Gefallen schliessen sich Menschen gegenseitig aus, muten sich Armut, Verbrechen, Terror zu.
Unendliche Teilbarkeit ist eine Denkfigur. Subversion eine andere.

Die Subversion achtet bestehende Abhängigkeiten und sieht, dass innerhalb dieser Abhängigkeiten Bewegungen möglich sind; Bewegungen, die eine Idee von Freiheit aufblitzen lassen.

“Aus einer einfachen und tragischen Idylle entsteht ein Liebeslied, das trotz allem ein Lied der Hoffnung ist. Dieses Lied beabsichtigt, uns bei der Geburt des Worts mitwirken zu lassen und, in einer Dimension, die mehr als wirklich ist, bei der Vergrösserung der Schwelle des Leids, das eine verfolgte Gemeinschaft anschaulich macht, deren Klage von Zeit zu Zeit in ihren Martyrien wieder aufgenommen wird.” (Jabès)

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