SNF August II


„Von Pagoden, deren Spitzen sich im Himmel verlieren,
braucht man die unteren Hallen nicht zu zeigen: es ist, als gäbe es – als gäbe es nicht;
sei es oben, sei es unten.“

(Vorschrift aus den Geheimnissen der Malkunst, die unter der Autorität Wang Weis im 8. Jahrhundert übermittelt und seither immer wieder aufgegriffen wurde, nach: François Jullien: Das grosse Bild hat keine Form (Paris 2003). München: Fink, 2005, S. 24.

Aufgabe der Malerei und der Dichtung (chinesisch): Der erwarteten Spezifizierung bei der geforderten Schilderung auszuweichen …  [Die Maler und Dichter] malen und schildern genauer gesagt nicht bestimmte Dinge, um sie besser vor Augen zu führen und ihre Präsenz hervortreten zu lassen, indem sie sie vor dem Blick entfalten; sie malen sie zwischen ‚es gibt’ und ‚es gibt nicht’, zugleich seiend und nicht-seiend: anwesend-abwesend, halb-hell halb dunkel, zugleich hell-zugleich dunkel.“ François Jullien: Das grosse Bild hat keine Form. S. 20.

Aufgabe der Wissenschaft: Eine Spezifizierung zu erreichen, die sich allgemein nachvollziehen lässt. Der Prozess der Spezifizierung ist dabei nicht strikt, sondern folgt Gelegenheiten (Technoopportunismus), wird gelenkt von Gewohnheiten (Aufschreibeverfahren, Laborbüchern, Prozeduren der Kommunikation) und Techniken (sie sind Gewohnheiten die zu Gegenständen verdichten).
Kleist, Kant, die Romantiker kämpfen um Verbindungen zwischen der individuellen Erfahrung, dem inneren Gefühl und der Vernunft. Sie hoffen, dass eine Brücke zur Verbindung ausreicht, nehmen implizit an, dass alle Inseln insgeheim auf einem Fundament ruhen, das es nur zu entdecken und freizustellen gilt. Doch die Inseln erweisen sich als Kontinente, die von einander fortdriften und in ihrer Drift unüberwindbare Abgründe entstehen lassen.

Bei Novalis, auch in der Mathematik und in der Sprachwissenschaft bildet sich die Hoffnung heraus, dass Brücken wichtiger sind als die Inseln oder Kontinente, zu denen sie geschlagen werden sollen. Diese Hoffnung ist medientheoretisch.

Kleist überlegt, dass die Sinne Werkzeuge für den Brückenbau sind.

Poe denkt einen Körper ohne Organe, ohne sinnliche Werkzeuge. Er bildet sich im magnetischen Schlaf.

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