Nils Röller: Interesse V

Das lateinische Wort “interesse” bedeutet “Sein im Dazwischen”. Dieses Sein ist nicht entschieden. Es orientiert sich nicht an Zwecken, die es erreichen will. Es sieht die natürlichen Dinge nicht als Mittel zum Zweck der menschlichen Ernährung an, sondern als reine Mittel, als Mittel, die um ihrer selbst willen betrachtet und geschätzt werden. Das ist ein Impuls des “Lehrbuchs der Naturphilosophie”. Es ist auch ein Impuls der taoistischen Philosophie. So heisst es in der Abhandlung über die menschlichen Fähigkeiten von Liu Shao aus dem 3. Jahrhundert nach Chr.:

“Im Allgemeinen sind im menschlichen Charakter Ausgeglichenheit [als das Vermögen, sich ‘in der Mitte’ zu halten, zhong] und Harmonie am höchsten zu schätzen.
So in der Mitte zu sein, so im Dazwischen zu sein, das fördert die Möglichkeit, “etwas sich ereignen zu lassen”. Dass sich etwas zwischen Mathematik, Kunst und Sex ereignet, das möchte das Journal darstellen. Das ist sein “Interesse”.

Literatur

Chen (Joseph) Cheng-Yih: Cultural Diversities: Complementarity in Opposites. In: Zielinski, S. und Fürlus, E. (eds.): Variantology 3. Cologne: Walther König, 2008

Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter – Gender Studies [Routledge 1990]. Frankfurt: Suhrkamp, 1991

Jullien, François: Über das Fade – eine Eloge – Zu Denken und Ästhetik in China [Arles 1991]. Berlin: Merve, 1999

Needham, Joseph: Science and Civilisation in China Vol. IV (Physics and Physical Technology), Part 1. Cambridge: Cambridge University Press, 1962

Oken, Lorenz: Lehrbuch der Naturphilosophie. Zürich: Schulthess, 1843

Röller, Nils: Thinking with Instruments: The Example of Kant`s Compass. In: Zielinski, S. und Fürlus, E. (eds.): Variantology 3. Cologne: Walther König, 2008

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