Warten
Die Philosophie rät dazu, Wahrnehmungen zu misstrauen und auf das Denken zu setzen, das Unabhängigkeit von Wahrnehmungen, Gefühlen und den äusseren Bedingungen fordert. Vielleicht hört man deshalb wenig von reisenden Philosophen, weil sie durch die Unpässlichkeiten der Fahrpläne sich nicht von ihrem Geschäft ablenken lassen möchten. Man vermisst von ihnen jedoch eine Stellungnahme, wie sich der denkende Mensch zu unserer Welt im Ausnahmezustand von Klimawandel, Globalisierung und der rasant ausbreitenden Armut verhält, zu einer Welt, die aus den Fugen gerät, die insgesamt aus dem Rhythmus zu fallen droht.
Interessanterweise suchen Philosophen, wenn sie Grenzen des Denkens bestimmen wollen die Nähe zu vertrauten Bildern, insbesondere zu Instrumenten. Sie sprechen dann zum Beispiel vom Kompass. Der Kompass wird von ihnen unterschiedlich verwendet, zum Beispiel um die Abhängigkeit des Menschen vom allgemeinen Geschick zu bestimmen. Wie die Kompassnadel sich nach Norden ausrichtet, so muss der Mensch sich nach Gesetzen verhalten, die bestimmen, dass er sich zum Beispiel in der Situation eines Wartenden befindet, der am Flughafen sitzt, obwohl er dringend an einer Verhandlung über die Zukunft seines Unternehmens teilnehmen muss oder weil zur Geburt seines Kindes bei seiner Frau sein möchte.
Der Kompass wird in einer anderen Philosophie wichtig als Hoffnungszeichen. Er wird dem Gefühl gleichgesetzt und stärkt so das Vertrauen in die menschliche Vernunft. Das würde auf die Situation eines Wartenden übertragen bedeuten, dass er glaubt, dass seine Reise grundsätzlich richtig geplant war und dass er die plötzlich eingetretene Wartezeit nicht als Anlass nimmt, an seinen Zielen zu zweifeln und sich zum Beispiel überlegt, wie er sein Fehlen bei dem eigentlich geplanten Treffen kompensieren kann oder wie er seiner Frau trotz seines Fehlens bei der Geburt künftig beiseite stehen kann.