Kant für Künstler
Über den guten Willen spricht man nicht gern in der Kunst, jedenfalls nicht öffentlich. In der Öffentlichkeit ist es opportun vom Künstler als dem asozialen Wesen zu sprechen. Es wird auch erwartet, dass der Künstler so spricht. Das ist opportun, weil der Künstler so eine Leerstelle bereitet und offenhält. Diese Leerstelle der Kunst benötigt die Gesellschaft.
Die Gesellschaft benötigt die Idee von asozialen Feldern. Diese Idee ist ein Vehikel. Man steigt in das Vehikel hinein, schottet sich in einer Kapsel ab. Von dieser Kapsel aus lässt sich die Gesellschaft betrachten. Die Gesellschaft erscheint dann so wie die Erde den Astronaunten erscheint: Die Gesellschaft erscheint als ein Raumzeitschiff. Das Raumzeitschiff Gesellschaft lässt sich nur wahrnehmen, wenn man von ihm Abstand gewinnt.
Kunst ist eine Form, Abstand zu gewinnen. Man besteigt ein Vehikel, mit dem man von aussen um das Raumzeitschiff Gesellschaft herumfahren kann. Das unterscheidet übrigens Künstlern von Anstreichern. Anstreicher werden an den Bordwände grosser Schiffe herabgelassen, um die Aussenhaut der Schiffe zu pflegen. Der Künstler lässt sich nicht abseilen, sondern baut sich (Panamarenko) ein Gefährt, um das Raumzeitschiff zu verlassen. So ein Gefährt lässt sich mit Hilfe der Sprache, der Malerei, der Skulptur erstellen.
Allerdings muss der Künstler mit der Mannschaft des Raumzeitschiffs Verabredungen treffen, wie sein Vehikel wieder an Bord genommen werden kann. Es muss Kräne, Ladevorrichtungen, Luken geben, die Austritt und Wiedereintritt der künstlerischen Vehikel gestatten.
Die Gesetzgebung des guten Willens ist für Kant so ein Vehikel. Sie nimmt den Menschen heraus aus der Empirie und versetzt ihn in den Standpunkt der intelligiblen Welt. Cyberspace, Kunst und Mathematik lassen sich mit guten Willen als Transferbahnen, Flughäfen zwischen der empirischen Welt und der intelligiblen Welt verstehen.
Ein Blick in den geöffneten H1-Detektor von HERA vermittelt einen Eindruck von der Komplexität der heute in der Teilchenphysik eingesetzten Nachweisgeräte. (Foto: Bilderberg, Peter Ginter)