Marcus Steinweg

KRAFT DER INTELLIGENZ

Deleuze sagt über Foucault, dass er „durch seine bloße Existenz die Unverschämtheit der Dummköpfe“1 verhinderteBeide verbindet der Glaube in die Kraft der Intelligenz. Faschismus, Rassismus, Sexismus und Unterdrückung im allgemeinen sind Produkte universaler Dummheit. Man wird sie nicht auf der Meinungsebene schlagen. Auf dem Plateau der Meinungen setzt sich Ideologie ins Unendliche fort, weil hier alles Denken, insofern es die Unterbrechung der Doxa fordert, ausgeschlossen bleibt. Man müsste zu zeigen versuchen, dass Faschismus, Rassismus und Sexismus das Resultat aktiven Nicht-Denkens, statt Ausdruck persönlicher oder kollektiver Ansichten, sind. Es sind Denkfehler von Leuten, die nicht denken, während sie ihr Nicht-Denken in den Dienst einer Dummheit stellen, die in der Intelligenz ihren größteFeind erblickt.2 Foucault hat – wie Deleuze, wie Derrida – aus seiner Intelligenz, die sich durch Infragestellung aller Dispostive und Register, Begriffe und Ideologeme etc. auszeichnet, eine tödliche Waffe gemacht. Deshalb hatPaul Veyne in ihm einen Samurai erkannt. Seine Bücher seien nicht geschrieben, „um Leser jedweder Couleur wie um einen warmen Ofen zu scharen. Sie sind nicht kommunikativ und nicht geeignet, die Lebensgeister ihrer Leser zu beflügeln. Sie sind mit dem Schwert geschrieben, mit dem Säbel eines Samurai, eines durch und durch nüchternen und grenzenlos kaltblütigen und reservierten Mannes.“3 Der Strukturalist, der kein Strukturalist sein wollte, als Samurai! Die Intelligenz, die sich der Dummheit widersetzt, muss gegen sich selbst gewendete Intelligenz sein. Unaufhörlich prüft sie ihre Instrumente und Mittel. Sie hört nicht auf sich selbst zu mißtrauen. Statt sich am warmen Ofen niederzulassen, entfernt sie sich von ihm. Das ist der Hyperboreismus des Denkens, von dem Deleuze mit Nietzsche spricht. Er impliziert das kalte Fieber kriegerischer Intelligenz. „Foucault“, sagt Deleuze, „erfüllte die von Nietzsche definierte Funktion der Philosophie: ‘der Dummheit Schaden tun’.“4 An anderer Stelle sagt er von ihm: „Er bebte vor Gewalt […].“5

1Gilles Deleuze, Unterhandlungen 1972-1990, Frankfurt a. M. 1993, S. 219.

2Mit Deleuze erinnert Byung-Chul Han daran, dass man zwischen Idiotie und Dummheit unterscheiden muss: „Die Philosophie ist von Anfang an eng mit dem Idiotismus verknüpft. Jeder Philosoph, der ein neues Idiom, eine neue Sprache, ein neues Denken hervorbringt, wird notwendig ein Idiot gewesen sein.“ Siehe: Byung-Chul Han, Psychopolitik. Neoliberalismus und die neuen Machttechniken, Frankfurt a. M. 2014, S. 107ff.

3Paul Veyne, Foucault. Der Philosoph als Samurai, Stuttgart 2010, S. 55. Dazu Deleuze (a.a.O., S. 148): „Paul Veyne entwirft ein Portrait Foucaults als Krieger. Foucault macht immer wieder den Staub oder das Grollen eines Kampfes geltend, das Denken selbst erscheint ihm als Kriegsmaschine.“ Zur Infragestellung des „Modell[s] des Krieges“, das „wie ein Parasit auf den Diskussionen über politische Themen“ sitze, siehe: Michel Foucault, Der Mensch ist ein Erfahrungstier. Gespräch mit Ducio Trombadori, Frankfurt a. M. 1996, S. 121f.

4Gilles Deleuze, Unterhandlungen 1972-1990, a.a.O., S. 219. Vgl. ebd., S. 122: „Wann immer ein großer Denker stirbt, fühlen sich die Dummköpfe erleichtert und machen einen Heidenlärm.“

5Ebd., S. 148.

Marcus Steinweg
Ein Beitrag zum Steintag

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