Nils Röller: Interesse II

Tao bedeutet ursprünglich “Weg”. Man kann vom Tao lesen, dass es von Gegensätzen handelt und der Energie, die ein Gleichgewicht zwischen Gegensätzen herstellen kann, zum Beispiel der Energie, die von der Erde hinaufsteigt, und der Energie, die vom Himmel hinabsteigt. Von den Gegensätzen kann man auf das Verhältnis der Geschlechter schliessen. Das Tao bestimmt ihr Verhältnis energetisch, nicht statisch: Als Aufnahme und Abgabe von Dampf, der beim Erhitzen von Wasser entsteht, von Qi. Das Tao handelt auch von der Einheit und der Vielfalt, die aus eins, zwei und drei hervorgeht. Ein lineares Modell leitet aus dem Tao die Eins ab, aus der Eins die Zwei, aus der Zwei die Drei und aus der Drei alle Dinge.


Ein anderes Modell ist binär. Es leitet aus dem Tao ein Yin und ein Yang ab. Aus dem einen Yin entstehen Verbindungen zwischen Yin und Yang. Aus dem einem Yang entstehen Verbindungen zwischen Yang und Yin. Von Yin und Yang heisst es, dass eines Energie abgibt und eines Energie aufnimmt. Aufnahme und Abgabe von Energie sind eine Sache des Tao. Yin und Yang sind nicht männlich und weiblich, können allerdings die Rede von männlich und weiblich verändern. Das Qi, das zwischen ihnen fliesst, ist unsichtbar, es ist nicht auf Organe, Adern oder Körperteile beschränkt, es verändert jedoch die Auffassung von Körpern, von biologischem Geschlecht und von Geschlechtsidentität. Durch Qi wird denkbar, dass männlich und weiblich Pole sind.

Polarität ist ein zentraler Begriff Okens. Er schreibt:

“Die Polarität kann als ein einziges Setzen des +- betrachtet werden: wenn aber dieses Setzen sich wiederholt, so entsteht Bewegung, indem sich nehmlich viele +- +- nacheinander setzen, und so die Hauptpole auseinander treten wie an einer Eisenstange beim Magnetisieren.” (§ 80)

Ähnlich bedeutet hier nicht gleich. Oken betrachtet die Natur als Verwirklichung von Ideen. Die Summe aller Ideen ist das Zero, das Nichts, das auch Gott ist:

“Im Aether ist alles präformiert, so wie alles Mathematische im Zero, alles Handelnde in Gott präformiert ist: aber eben darum ist nichts Individuales darin präformiert; sondern es entsteht erst durch Figierung der Pole an der Substanz. Dieses ist der wahre Sinn der ursprünglichen Erzeugung des Organischen.” (§ 954)

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