Canto VI ?/07

Wieder Schwarz, wieder Weiss, wieder schwarz-rauchige Fäden auf einer weissen Fläche. Wiederholen wir das Spiel vom Vordergrund und Hintergrund? Oder gehen wir den Nuancen nach? Folgen jetzt nicht dem rotseidenen Segel, das sich auf den anderen Seiten der Drucke zeigt?

Newman fordert uns auf, Nuancen als Chancen zu begreifen. Er beginnt erst uns aufzufordern, da wir uns seinen Wahrnehmungsangeboten wiederholt widmen. Erst wenn wir beginnen, uns näher mit seinen Cantos zu beschäftigen, uns Zeit und Raum nehmen, seine Angebote wahrzunehmen, beginnt er uns aufzufordern. Geht man dieser Aufforderung nach, stolpert man über Unendlichkeit. In den Nuancen lassen sich weitere entdecken, vielleicht unendlich viele Nuancen. Schnell, zu schnell, vorschnell beginnt man, wenn man begonnen hat, sich Zeit zu nehmen, von Unendlichkeit zu sprechen.

Wer aber möchte Unendlichkeit? Möchte man nicht vielmehr klare Enden sehen, zum Beispiel das Ende des Tötens? NZZ Nr. 23 meldet, dass bei einem Granatenangriff auf eine Mädchenschule im Westen von Bagdad 5 Schülerinnen gestorben sind und 20 Menschen verletzt wurden. Wer will, dass diese Zahlen in das Unendliche fortschreiten?

Widmet man sich den einzelnen Zahlen, fragt sich was Tod von 5 Schülerinnen bedeutet, entfalten sich Nuancen: Waren es alle Schülerinnen der Schule oder waren es fünf aus einer grösseren Gruppe? Was für eine Schule ist dort getroffen worden? War es eine Schule, die mit Mitteln eines ehemaligen deutschen Soldaten gebaut worden ist, einem Mann, der mit seiner Familie seit Jahren Gelder für den Unterricht weiblicher Muslime sammelt, weil er überzeugt ist, dass auch Frauen Zugang zu Bildung haben müssen?

Wieviel Schülerinnen müssen nun mit dem Choc leben, dass sie beim Versuch, ein Grundrecht wahrzunehmen, getötet werden? Werden die Väter der gestorbenen Mädchen nun ihren anderen Töchtern den Gang in die Schule verbieten? Diesen Fragen kann man beharrlich nachgehen und ich denke, dass Newman solche Beharrlichkeit schult. Es ist die Beharrlichkeit der Geduld, einer Geduld, die sich nicht abfindet mit dem, was andere als Gegeben ansehen.

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