Canto IV ?/07
Schwarz auf Schwarz, wirkt wie Blau auf Schwarz. Schwarz wird Blau. Blau wird Schwarz. Schwarz wird weiss? Nein, aber die Kontraste bleiben, die Relation der Unterscheidung bleibt. Das Unterscheidende hebt die Unterschiedlichkeiten des einen und des anderen vor. Unterschied ist als Beziehung denkbar, kann damit in eine Logik eingegliedert werden, wird zum Muster, verliert an Problematik. Dennoch verblüffen die Kippmomente in Newman`s Cantos. Die Stelle von Hellweiss nimmt ein leuchtendes Hellblau ein, dann ein Schwarz. An ihren Rändern lassen die Farbgrenzen Überschreitungen wahrnehmbar werden. Die Wahrnehmungen schwappen von einer Fläche zur anderen Fläche über.
Die unterschiedenen Farbflächen stehen in einem Wechselverhältnis, das sich vielleicht wahrnehmungsphysiologisch begreifen lässt, das sich aber nicht dem Willen des Betrachters beugt. Es beugt sich auch nicht die Ungerechtigkeit dem Willen derjenigen, die sie wahrnehmen wollen. Will man wahrnehmen, entzieht sich das, was aus der Welt berichtet wird, dem Verständnis. Es muss sich dem schnellen Verständnis entziehen, denn menschliches Leid ist etwas Ungeheures, etwas nicht Tolerierbares. Das heisst nicht, dass das Denken vor dem Ungeheuren kapituliert und sich senil damit abfindet. Nein. Doch viel zu leicht nehmen wir zur Kenntnis, nehmen die Unermesslichkeit der Grausamkeiten nicht wahr, nehmen noch nicht einmal wahr, dass disie unermesslich sind und damit geben wir dem Denken nicht die gebührliche Chance, sich damit zu beschäftigen. Es kann sich dann noch nicht einmal daran erproben. Die NZZ Nr. 19 berichtet vordergründig von der Auslieferung mexikanischer Verbrecher an die USA. Klar konturiert erscheinen zwei Schraffuren:
– Osiel Cardenas Guillén, Chef des Kartells des Golfs von Mexiko, sitzt seit 2003 in einem Hochsicherheitsgefängis und scheint von dort sein Imperium dank Kurieren und Handys unbehindert weiter verwaltet zu haben.
– Im vergangenen September unterbrachen Männer in Militäruniformen eine nächtliche Party und warfen blu..ge K…e von Ent…..eten auf die Tanzfläche.
Diese Schraffuren heben sich ab vor einem ungeschilderten Hintergrund, den wir noch nicht einmal wahrnehmen, nicht einmal sehen, dass dieses Schwarz oder dieses Hellblau oder dieses Hellweiss sich erheben vor einem anderem Schwarz, vor einem noch anderen Schwarz oder vor einem Beigeweiss. Wendungen wie “unbehindert” oder “unterbrachen” sind Hinweise, dass die Schraffuren in einen Kontext eingebunden sind, der uns jedoch entgeht, wenn wir nur die Ungeheuerlichkeit zur Kenntnis nehmen. Die nehmen wir auf dem Hintergrund unseres Interesses an Neuigkeiten, nur vor dem Hintergrund unserer Gewohnheit wahr. Ungewohnt wird der europäische Hintergrund des Empfindens, wenn er sich an die Schwellenzeit des Mittelalters erinnert, da Araber und Christen im Mittelmeerraum sich kämpfend begegneten und Geschichten daraus gesponnen wurden. Gesponnen wurde dabei auch die Geburt des Feirefiz von Anjou.