Canto III ?/07
Die porösen Grenzen von Kontrasten interessieren. Hier wechselt der Vordergrund in den Hintergrund. Hier entwickeln sich Bewegungen, die Denkfiguren ermöglichen. Der Fall von Mahar Arar (NZZ Nr.28)ist umgeben von einem schweigsamen Dunkel. Sein Fall erhellt das umgebende Dunkel. Sein Fall ist zugleich dunkel. Der Alptraum begann im September 2002, als er während einer Zwischenlandung in New York verhaftet und trotz Pochen auf seine kanadische Staatsbürgerschaft in sein Geburtsland Syrien verfrachtet wurde, wo man ihn fast ein Jahr lang festhielt und folterte. Nach seiner Freilassung, die er dem von seiner Frau mobilisierten Druck der Medien und politischen Instanzen verdankt, begann sein langer Kampf um die Rehabilitierung. Der kanadische Staat sprach ihm dieses Jahr eine Entschädigung von 11, 5 Millionen Dollar. An diesem Bericht nehme ich das Wort “folterte” als Pore wahr. Sie weitet sich über meine Vorstellungskraft hinaus: Schreie, Hoffnungslosigkeit, Entsetzen, Entsetzen, Entsetzen breiten sich in meinem Bewusstsein aus. Das Gefühl von Ohnmacht ist unvorstellbar, man möchte nicht begreifen, dass dies jedem widerfahren kann. Die andere Pore, die ich wahrnehme, setzt sich aus den Worten “dem von seiner Frau mobilisierten Druck der Medien und politischen Instanzen” zusammen. Ihnen muss ich künstlich Raum geben, sonst ist sie schnell in ein Muster verschlossen, das nichts mehr vermittelt, weil es zu schnell abgespeichert wird. Doch gilt es auch dies geeignet wahrzunehmen und sich die Kaskaden von Anrufen vorzustellen, das Bangen auf Rückrufe, die emails, die ausbleibenden Antworten, dann der kaum zu glaubende Durchbruch, der wieder enttäuscht wird, weil Medienvertreter und Politiker etwas versprechen, was sie nicht halten können. Beide Poren sind wahrnehmbar, können zu Vorstellungen führen. Die meisten Poren bleiben den Wahrnehmungen verborgen. Newman`s Farbflächen schulen den Blick für Übergänge, die Lithographien der Cantos schulen den Blick für Unebenheiten bei den Grenzverläufen.