Monadologie I

Zuviele Fenster in die Welt stehen uns derzeit offen: Tageszeitungen, Online-Dienste, Fernsehen. Sie liefern Bilder aus der Welt in unsere eigene Welt. Zuweilen sind die Bilder konkret, zum Beispiel das Bild der Maya-Familie Guzman in La Brigada, Guatemala-Stadt. Die Familei hat jahrzehntelang für ein eigenes Haus geschuftet. Schlafzimmer und Wohnzimmer sind überdimensional gross geworden. Der Reporter bemerkt das. Er bemerkt auch, dass drei Wochen nach seinem Besuch, die Familie Guzman nicht mehr in ihrem jüngst bezogenen Haus wohnt.

Schutzgelderpresser einer Bande haben sie verjagt (NZZ 293): “Keine drei Wochen nach unserem Besuch musste die Familie ihr grosszügiges neues Eigenheim Hals über Kopf verlassen, weil Mitglieder einer Mara [Bande] die Entrichtung eines astronomisch hohen Schutgeldes innerhalb von 24 Stunden verlangten und andernfalls mit der Ermordung von Familienmitgliedern drohten”. Die Zeilen lassen ein kompatkes Bild der Familie entstehen. Das Bild ensteht lesend. Da, was ich in Worten nachvollziehen kann, lässt bei mir ein kompaktes Objekt oder Bild entstehen.

Demgegenüber verlieren die fotographischen, televisuellen Bilder schnell an Kompaktheit. Ich kann mich kaum an sie erinnern. Es sei denn, dass ich mich ihnen in eigenen Worten nähere. Insofern gelangen wenige Bilder in meine eigenen vier Wände. Insofern haben die vier Wände meines Bewusstseins wenige Fenster.

Die Atome der Seele nennt Leibniz Monaden. Eine Monade ist ein fensterloser Spiegel des Universums. Die Theorie der Monade versucht die Spontanität des Ichs mit den Gesetzen zu vereinbaren, die das Universum bestimmen. Spontanität lässt sich als Freiheit denken, als Vermögen, das zu tun, wozu man geneigt ist. Der Clou des Begriffs der Neigung ist, dass man sich zu dem neigt, was der eigenen Natur entspricht. Die eigene Natur wiederum ist bedingt durch die Gesetzen des Universums, das wohlgeordnet ist (mundus est kosmos, plenus ornatus seu ita factus, ut maxime satisfaciat intelligenti).*

* “.Leibniz nach Cassirer: Freiheit und Form – Studien zur Deutschen Geistesgeschichte [1916]. Bd 7 der Gesammelten Werke. Darmstadt 2001: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 34

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